VON RICHARD KEHL | 17.06.2010 08:22

Ulrich Seidl - ein mutiger und provokanter Filmemacher

Mutiger Filmemacher: Er ist auf der Wiener Filmakademie gescheitert. Seine Werke sind umstritten und provokant. Sie treffen sicherlich nicht den Mainstream-Geschmack, aber das will der Filmemacher Ulrich Seidl auch gar nicht. Stattdessen regen seine meist sozialkritischen Themen zum Nachdenken an.

Ein Filmemacher sollte sich überlegen, ob er Filme machen oder Produzent sein will: „Ein Produzent ist ständig auf Partys, geht mit Frauen ins Bett, ist auf den Roten Teppichen in Cannes etc. zu finden - ein Filmemacher hingegen realisiert seine Visionen“, Jean Pierre Jeunet (MicMacs, fabelhafte Welt der Amélie, Delicatessen etc.).


Regisseur Ulrich Seidl gehört sicherlich auch zur letztgenannten Kategorie. Beim Filmfest in München, das vom 25. Juni bis 3. Juli stattfindet, ist der österreichische Regisseur Ulrich Seidl Ehrengast und präsentiert in der Retrospektive erstmals eine vollständige Werkschau seiner Filme.


Der 1952 in Wien geborene Ulrich Seidl studierte Publizistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Er finanzierte sich sein Studium mit Jobs als Nachtwächter, Lagerarbeiter und Proband für die Medikamentenindustrie. Erst mit 26 Jahren beschloss er an der Wiener Filmakademie zu studieren. Seine dort abgelieferten Werke kamen nicht gut bei der Jury an, so dass Ulrich die Wiener Filmakademie ohne Abschluss verlassen musste.


Nicht nur während, sondern auch nach seiner Akademiezeit haben seine Filme immer heftige Reaktionen ausgelöst. Der Durchbruch gelang ihm mit den Dokumentarfilmen wie „Jesus, Du weißt“, “Models“ oder „Tierische Liebe“, in denen er Menschen in sehr persönlichen Momenten zeigte. Mit seinem ersten abendfüllenden Kinofilm „Hundstage“ gewann Ulrich Seidl 2001 den Großen Preis der Jury in Venedig. Auch der Film „Import/Export“ lief 2007 im offiziellen Wettbewerb in Cannes.


Ulrich Seidl gilt als "Extrem-Regisseur" und "Enfant terrible des österreichischen Kinos", aber auch als differenzierter und sensibler Beobachter menschlicher Schicksale. Seidl will mit seinen Filmen einen "ungeschönten Blick auf die Wirklichkeit" geben. Er liebt es, sein Publikum zu überraschen und herauszufordern.


Werner Herzog, der Seidl zu seinen zehn Lieblingsfilmemachern zählt, sagte über einen seiner Filme: "Noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut".