VON TIM BERGHOLZ
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12.11.2013 14:49
Die Spielmacher – Arbeiten in der Games-Branche
Die deutsche Spielewirtschaft boomt: Laut Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU) hat die hiesige Games-Branche in 2012 73,7 Millionen Computer- und Videospiele verkauft. Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr 2011. Und nicht nur die Produkte sind bei der jungen Bevölkerung beliebt – der deutsche Gamer ist im Durchschnitt 32 Jahre alt – sondern auch die Games-Branche als Berufsfeld erfreut sich wachsender Beliebtheit. Ein Blick auf die Jobgesuche des Jobportals Games-Career.com zeigt zum Beispiel, dass bei den Bewerbern insbesondere die Fachrichtung "Art/Layout/Illustration" hoch im Kurs steht.
Ein Erfahrungsbericht von Tim Bergholz, heute Texture Artist bei Ubisoft Toronto
Tim, kannst du uns eingangs kurz erläutern, warum du dich damals für die Games-Branche entschieden hast?
Videospiele haben mich schon seit frühester Kindheit fasziniert. Ich bin mit C64, dem ersten Gameboy (1991), Amiga, PC und allen Entwicklungen bis heute aufgewachsen und schon immer Gamer gewesen. Der Gedanke, dass da auch beruflich etwas geht, ist mir lange gar nicht gekommen. Ich bin erst durchs sogenannte Modding dazu gekommen, dass ich aktiv Spieleinhalte umgestaltet und verändert habe (ausschließlich Texturen, was das genau bedeutet, erkläre ich weiter unten) und das wurde dann im Internet so begeistert gefeiert, dass ich eines Tages eine E-Mail einer Spielefirma im Schwarzwald bekommen habe, die mich zum Jobinterview als Texture Artist einlud. Ich war total baff, da ich zu dem Zeitpunkt alle möglichen Sachen beruflich in Erwägung gezogen habe - ich wäre um ein Haar Schornsteinfeger geworden. Aber ausgerechnet die "Games-Branche" kam mir bis dahin nie in den Sinn, wahrscheinlich weil es z. B. in "Beruf aktuell" vom Arbeitsamt solche Optionen gar nicht gibt.
SAE Institute
Fachbereich "Games"
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Games Academy
Die erste Spezialschule für Spielentwicklung in Europa
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Mediadesign Hochschule
Medien und Design in München
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Wave-Akademie
Digitale Medien in Berlin
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Kannst du deine einzelnen Stationen deines beruflichen Werdegangs vom Studium bis heute kurz erläutern?
Dazu ist es wahrscheinlich am besten zu erwähnen, was aus dem Jobinterview bei der eingangs erwähnten Firma geworden ist. Nachdem sich die Firma bei mir gemeldet hat, bin ich von Mainz nach Villingen-Schwenningen zum Jobinterview für den Texture Artist gefahren und war total begeistert, mal in einer richtigen Spielefirma einen Einblick zu bekommen. Das ganze lief dann aber darauf hinaus, dass mir gesagt wurde, meine Texturen wären zwar gut, aber mir würden die 3D-Skills fehlen und das setzt man heutzutage in der Branche voraus. Zurück in Mainz habe ich mich dann im Internet schlau gemacht, welche Institutionen in diesem Bereich ausbilden.
So bin ich auf die SAE gestoßen und habe mich nach einem „Tag der offenen Tür“ dazu entschieden, mein Studium an der SAE in München aufzunehmen.
Wie kam es, dass du bereits während deines Studiums ein Jobangebot von Crytek erhalten hast?
Dadurch, dass ich genau wusste weshalb ich da bin (3D), konnte ich mich knallhart auf das konzentrieren, was für dieses Feld zählt. Wenn man ein „Newbie“ ist, der in die Industrie will, ist es enorm wichtig ein eindrucksvolles Portfolio zu erschaffen - quasi meine Online-Visitenkarte. Letztendlich ist es das, was zählt, da eine Firma mit einmal runterscrollen sofort sehen kann, was du machst und was du kannst und vor allem, wie gut du darin bist.
Deine akademische Ausbildung war bereits nach 1,5 Jahren beendet. Ist das nicht recht kurz oder hast zu damaliger Zeit geplant, den Bachelor später nachzuholen?
Ich war extrem zielgerichtet in meiner Zeit des Studiums und habe hart rangeklotzt. Ich wusste wie gesagt genau, weswegen ich da bin und zwar um "3D" zu lernen und alle möglichen 3D-Modelle erschaffen zu können. Ich habe mich also nicht auf die Hausaufgaben beschränkt, sondern abends und auch am Wochenende eifrig an meinem Portfolio gearbeitet und Sachen gemodelt und texturiert, von denen ich mir erhoffte, dass Sie bei einer Bewerbung gut ankommen würden (z.B. ein AK-47, einen Helikopter aber auch kleinere Dinge, wie eine Bohrmaschine und eine Motorsäge).
Den Bachelor zu machen hätte sicherlich nicht geschadet, da mir so auch mehr Zeit dafür geblieben wäre, mein Portfolio zu erstellen, aber es hat ja dann auch so geklappt.
Aus deiner Erfahrung: Wie wichtig ist das, was man im Studium lernt, letztendlich für den Beruf?
Das was ich damals an der SAE in München gelernt habe, wende ich heute als Industry Professional noch genauso an. Das ist wie Autofahren lernen und wie ich schon erwähnt habe, wusste ich genau, was ich vom Studium erwartet hatte. Das bedeutete unter anderem, dass ich meinen Fokus ganz klar auf den 3D-Modelling-Aspekt gelegt habe. Anderen Fächern, wie Zeichnen oder Animation, habe ich aus diesem Grund weniger Aufmerksamkeit geschenkt, was vollkommen okay ist, denn letztendlich bist du derjenige, der wissen muss, wofür er sein Geld/seine Zeit investieren will. Es ist besser, du bist Experte in einer Disziplin als "Jack of all trades, master of none", wie man im Englischen sagt.
Momentan bist du bei Ubisoft in Toronto als Senior Texture Artist beschäftigt. Ich bin jetzt mal Mutti: „Was machst du da genau?“
Aber Mutti, ich dachte das hast du inzwischen verstanden?
Scherz beiseite. Ich hab mir angewöhnt, es am Beispiel von Jurassic Park zu erklären, da es vielen Leuten einleuchtet, auch jenen, die keine Videospiele spielen.
Da laufen diese 3D-Dinosaurier durch den Film, die wurden von einem 3D-Artist erstellt. Das 3D-Modell selbst hat aber noch keine "Textur", sprich der Dinosaurier hat noch keine Haut angezogen bekommen. Dafür ist dann der Texture Artist zuständig. Er erstellt vom 3D-Dino eine sogenannte "UV-Map", was nichts anderes ist, als eine Karte des 3D-Modells, so dass ich weiß, welchen Bereich ich wie anmalen bzw. texturieren muss. Diese Karte besteht meistens aus verschiedenen Inseln, wie Kopf, Zunge, Zahn, etc.
All diese Inseln liegen nun also ausgefaltet in der UV-Map vor dir und du kannst anfangen diese mit Photoshop zu texturieren, damit der Dinosaurier seine Schuppen, Falten, Zähne und Blutspuren um das Maul bekommt. Dieser Teil der Arbeit nennt sich texturieren, was natürlich auch Bestandteil meines Studiums war.
Heute erstelle ich diese Texturen bei Ubisoft. Ich fertige aber auch meine eigenen 3D-Modelle an, unabhängig davon, dass in meiner Berufsbezeichnung nur von „Texture Artist“ die Rede ist. Heutzutage wird es einfach vorausgesetzt, dass du sowohl 3D (-Modelle) als auch 2D (-Texturieren) beherrschst.
Welche Spiele muss ich spielen und auf was achten, um deine Arbeit zu sehen?
Das ist einfach. Du musst nur auf
www.timbergholz.com gehen, um das zu sehen. Zuletzt habe ich an Splinter Cell Blacklist gearbeitet.
Du hast bisher bei Crytek, einem deutschen Unternehmen, gearbeitet und bist aktuell bei Ubisoft in Kanada. Gibt es einen Unterschied, zwischen der Arbeit in einem deutschen und internationalen Spieleunternehmen?
Crytek ist ja auch eine internationale Firma und ich habe sie nie als deutsche Firma wahrgenommen. Die Chefs von Crytek sind drei türkische Brüder und dort wird die meiste Zeit englisch geredet. Die Deutschen machen zwar einen Großteil der Belegschaft aus, aber es gibt dort Leute aus aller Welt, was ich sehr erfrischend fand. Insofern ist Crytek genauso international wie es hier bei Ubisoft in Toronto der Fall ist. Ich hatte vor der Zeit meines Studiums eine Ausbildung als Mediengestalter gemacht und war währenddessen in einem 30-köpfigen deutschen Betrieb. Crytek war im Vergleich dazu ein Unterschied wie Tag und Nacht. Eine so lockere und unverkrampfte Arbeitsatmosphäre konnte ich mir vorher gar nicht vorstellen. Auf einmal war ich also in einer Firma, in der erwachsene Leute damit Geld verdienen, Spiele zu machen und wo der Xbox-Controller bei jedem auf dem Schreibtisch liegt. Das musste ich erst einmal ankommen lassen.
Du bist nun seit fünf Jahren in der Games-Branche beschäftigt. Gibt es etwas, was dich an der Branche stört?
Sicherlich gibt es die eine oder andere Sache, die mich stört. Besonders der lange Lebenszyklus der letzten Konsolengeneration hat dazu geführt, dass es eine Stagnation im Innovationsbereich gegeben hat. Rein vom beruflichen Aspekt her gibt es da aber rein gar nichts was mich stört. Ich bin sehr froh in der Games-Branche zu sein. Es ist ein gutes Gefühl, morgens aufstehen zu können und sich zu freuen, auf die Arbeit zu gehen.
Was hast du dir für die Zukunft vorgenommen? Hast du vor dich selbstständig zu machen?
Es könnte mir hier in Toronto momentan nicht besser gehen und ich freue mich nach Splinter Cell auf die kommenden Projekte hier bei Ubisoft Toronto.
Auch fünf Jahre nach meiner Ausbildung habe ich keinen Millimeter weniger Lust an meiner Arbeit als 3D- und Texture Arist, so dass ich wohl noch viele weitere geniale 3D-Modelle und Texturen für kommende Ubisoft-Spiele erstellen werde.