VON DAVID SEITZ
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08.10.2012 14:09
Hoffnung für Arbeitnehmer: Der Kampf gegen Kettenbefristung
Befristete Arbeitsverträge, also Arbeitsverträge, die nur für eine bestimmte Zeitspanne gelten, machen einen nicht unerheblichen Teil der Anstellungsverhältnisse in Deutschland aus – Tendenz steigend:
Waren es 1991 noch 5,7 % aller Angestellten, arbeiten heute fast 10 % mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Die Nachteile dieser Form der Anstellung überwiegen vor allem durch mangelnden Kündigungsschutz, doch oft folgen mehrere befristete Arbeitsverträge aufeinander – dann spricht man von Kettenbefristung. Mit einer neuen Rechtsprechung soll diese Praxis nun jedoch eingeschränkt werden.
Des einen Freud, des anderen Leid
Aus Sicht von Arbeitgebern sind befristete Arbeitsverträge äußerst attraktiv. Sie können so auf wirtschaftliche Veränderungen flexibel reagieren und einen Personalabbau im Rahmen der Kündigungsfrist ohne Probleme durchführen. Für den Arbeitnehmer hingegen bringt eine befristete Anstellung vor allem Nachteile. So weiß der Angestellte oft nicht aus welchen Gründen sein Vertrag befristet wird und lebt so in permanenter Sorge vor der drohenden Arbeitslosigkeit nach Auslaufen des Vertrags. Sonderregelungen wie bei einer Schwangerschaft, die im normalen Anstellungsverhältnis einen besonderen Kündigungsschutz mit sich bringen, greifen bei befristeten Arbeitsverträgen nicht. So können sich Arbeitgeber letztlich ohne weiteres von schwangeren Mitarbeiterinnen trennen.
Kettenbefristung im Fall Kücük
Arm bleibt arm, reich wird reicher
Warum profitieren gerade in einer Industrienation wie Deutschland nur die ohnehin schon Reichen?
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Gerade bei Krankheitsvertretungen, Schwangerschafts- und Elternzeitvertretungen sind befristete Arbeitsverträge ein beliebtes Mittel, um die Einsatzzeit des Personals zu beschränken. Häufen sich derartige Verträge, nennt man das im Fachjargon „Kettenbefristung.“ Ein Zustand, der für den Arbeitnehmer sehr belastend sein kann, wie sich erst kürzlich im
Fall Kücük zeigte: Eine Frau klagte auf verschiedenen Instanzen gegen ihren Arbeitgeber, das Amtsgericht Köln, das sie über 11 Jahre hinweg mit 13 befristeten Arbeitsverträgen hingehalten hatte. Über Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof landete der Fall schließlich vor dem europäischen Gerichtshof, der jedoch keine klare Aussage über die Rechtmäßigkeit einer solchen Kettenbefristung treffen konnte, jedoch zu einer genaueren Prüfung der Umstände beim Zustandekommen befristeter Verträge mahnte.
Maßnahmen gegen unrechtmäßige Kettenbefristung
Was zunächst wie das erfolglose Flehen einer machtlosen Angestellten zu klingen schien, könnte Arbeitnehmern in Zukunft jedoch vor derartigen Kettenbefristungen schützen.
Nach Angaben der Financial Times Deutschland, erschwert das Bundesgericht seit Juli die Bedingungen für eine Kettenbefristung von Arbeitsverträgen in Deutschland, eine maximale Anzahl vertretbarer Befristungen wurde dabei aber nicht festgelegt. Arbeitnehmer müssen in Zukunft dennoch genau erklären, warum sie einen Arbeitnehmer mit einem weiteren befristeten Arbeitsvertrag ausstatten. Diese rechtliche Grundlage stellt zwar noch keinen bahnbrechenden Erfolg für die Rechte der Arbeitnehmer dar, wird aber wohl für eine Sensibilisierung auf Arbeitnehmerseite führen. So kann zumindest die grundlose Kettenbefristung in Zukunft schärfer als Rechtsmissbrauch verfolgt werden.
Mehr Sicherheit für die Arbeitnehmer, weniger Kündigungsflexibilität für die Arbeitgeber – so könnte sich die neue Rechtsgrundlage im Optimalfall auswirken. Vergleichsweise machtlos sind Arbeitnehmer jedoch noch immer gegen
dubiose Abmahnungen, wie sie beispielsweise beim mittlerweile insolventen Drogeriemarkt Schlecker lange Zeit stattfanden. Dort wurden offenbar fadenscheinige Vorwürfe gegen unliebsame Mitarbeiter verwendet, um einen Personalabbau möglichst rasch durchführen zu können.