VON NORA GRAF | 24.10.2014 17:21

Rund, hart und doppelt tödlich: Uranmunition und ihre Folgen

Tausende Tonnen uranhaltiger Munition wurden an unterschiedlichen Kriegsschauplätzen in den letzten Jahrzehnten verschossen. Und immer noch sterben Menschen an den Folgen der Uranmunition, denn sie ist toxisch und radioaktiv. Katastrophale Krankheiten sind die Folge. Für manche gehören die Urangeschosse in die Kategorie Massenvernichtungswaffen. Warum wurden und werden diese Geschosse immer noch eingesetzt?


Munition mit abgereichertem Uran (Depleted Uranium – DU) wurde erwiesenermaßen bei Angriffen des US-Militärs und ihren Verbündeten 1991 und 2003 auf den Irak abgeschossen. Überdies auch im Kosovo, in Tschetschenien, Serbien und während der indisch-pakistanischen Grenzkonflikte. Der Einsatz in Afghanistan und Libyen ist ungesichert, es gibt jedoch auch dort Hinweise auf den Gebrauch von DU-Munition. Allein bei der Intervention während des Irakkrieges 2003 wurden innerhalb drei Wochen zwischen 1000 und 2000 Tonnen der gefährlichen Munition abgeschossen.

Der Drohnenkrieg der USA

Die DU-Geschosse haben vor allem für die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten langfristige Auswirkungen. Schon Mitte der 1990er Jahre verzeichneten Ärzte im Irak einen steilen Anstieg von Missbildungen bei Neugeborenen, was in den folgenden Jahren noch schlimmer wurde. Hinzu kamen Krebserkrankungen in ungekanntem Ausmaß: Die Rate der Neuerkrankungen hat sich in den Jahren zwischen 1993 und 2001 im Vergleich zu 1990 vervierfacht, die Zahl der kindlichen Fehlbildungen hat sich sogar verfünffacht. Auch das Golfkriegssyndrom, das Soldaten und Kriegsveteranen betrifft, sehen viele als Folge der uranhaltigen Munition.

Uranmunition ist eigentlich ein Abfallprodukt der Nukleartechnik, das bei der Herstellung von waffenfähigem Uran anfällt. Es ist daher sehr billig und in großen Mengen vorhanden. Eine Alternative wäre Wolframcarbidmunition, deren Herstellung jedoch mit mehr Kosten verbunden ist.

Neben der USA gibt es noch 20 weitere Staaten, die DU-Munition besitzen. Aufgrund der hohen Dichte des Urans – es ist etwa 1.7 mal dichter als Blei – besitzen die Geschosse eine unglaubliche Durchschlagskraft und sind extrem wirksam. So durchbrechen die Projektile sogar Panzer oder Bunker. Beim Aufprall entsteht heißer Uranstaub, der sich entzündet, explodiert und alles, was sich in dem beschossenen Objekt befindet, verglüht. Mit einem einzigen Geschoss lässt sich ein ganzer Panzer samt Besatzung niederbrennen. Dabei wird auch der radioaktive, hochgiftige Feinstaub freigesetzt.

DU ist somit in zweifacher Hinsicht gefährlich: Zum einen ist es ein Schwermetall und hochgradig giftig und zum anderen ist es radioaktiv. Gerade den freigesetzten Feinstaub des Urans schätzen Experten als so schädlich ein. Die winzigen Nanopartikel, einmal eingeatmet, werden über die Lunge überallhin transportiert, ins Blut und die Organe. Abgereichertes Uran ist überdies genotoxisch: Es verändert das Erbmaterial und verursacht dadurch fatale gesundheitliche Schäden.

Die radioaktive Strahlung kann man auch noch Jahre später messen: Wissenschaftler aus Kanada untersuchten einige Kriegsschauplätze im Irak. Die Strahlenbelastung betrug in manchen Städten das 20fache des Normalwertes, an abgeschossenen Panzern war der Wert sogar um das 2500fache erhöht. Gerade Kinder, die auf den Panzern spielen, werden krank. Die verstrahlten Überreste kontaminieren somit immer noch den Boden und gelangen ins Grundwasser.

Leider gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Langzeituntersuchungen, die zweifelsfrei belegen, was für katastrophale Folgen der Einsatz von Uranmunition hat. Ein kausaler Zusammenhang zwischen DU-Geschossen und Gesundheitsrisiken besteht laut Studien der Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen Atomenergieorganisation nicht. Keiner fühlt sich zuständig, die betroffenen Regionen werden sich selbst überlassen.

Dass Uranmunition aber doch nicht gänzlich ungefährlich und vor allem ethisch fragwürdig ist, zeigt eine Resolution zum Verbot dieser Geschosse, die der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorliegt. Schon im Jahr 2012 beschloss die Mehrheit der Staaten eine Erhöhung der Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit DU-Munition – dagegen stimmten die USA, Großbritannien, Frankreich und Israel. Wie die Abstimmung diesmal auch ausfallen wird: Für viele Menschen kommt die Hilfe viel zu spät.