VON SINEM S. | 10.07.2012 10:19

Verfassungsschutz in Deutschland

Spätestens seit der NSU-Terrorserie in Deutschland und den damit verbundenen Mordfällen an Kleinunternehmern in ganzen Bundesgebiet ist der deutsche Verfassungsschutz stark unter Beschuss geraten: In Hessen wird Ministerpräsident Bouffier derzeit stark für die Aufklärung der Mordserie kritisiert, angeblich wusste ein hessischer Verfassungsschutzbeamter Bescheid und war nach dem Mord sogar am Tatort, auch von Kontakten zu rechtsextremen V-Männern ist die Rede. Um diese zu schützen, wurde die Ermittlung im Mordfall Yozgat stark behindert. Berlin fordert nun Aufklärung.

In Deutschland ist der Verfassungsschutz derzeit erheblichen Vorwürfen ausgesetzt. Hessens Ministerpräsident Bouffier muss sich nun vor Berlin verantworten, Thüringens oberster Verfassungsschützer Thomas Sippel musste gehen, vor ihm gab der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm sein Amt auf. Dabei ist von Behördenversagen die Rede, wenn es um die Aufklärung der rechtsextremen Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) geht. Jahrelang konnten die Mörder im Dunstkreis von Beate Zschäpe unerkannt und ungehindert mordend und raubend durch das Land ziehen.

Dabei ist es die Aufgabe des Verfassungsschutzes, sämtliche Bestrebungen, die gegen die Verfassung Deutschlands, gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, oder gegen die Sicherheit von Bund und Ländern verstoßen, zu verhindern und falls geschehen, aufzuklären. Die Verfassungsschutzämter erledigen hierbei die Vorarbeit, indem sie Informationen beschaffen und sammeln, um zum Beispiel ein Partei- oder Organisationsverbot vor dem Innenministerium oder Verfassungsgericht zu erwirken.

Macht und Gemeinwohl

Das systematische Versagen des Verfassungsschutzes im Falle der rechtsextremen Mordanschläge führte nun zu einem Vertrauensverlust von Seiten des Parlaments, da wichtige Informationen nicht an die Polizei weitergegeben worden seien. Verlässliche Quellen beim Verfassungsschutz hätten schon über das rechtsextreme Trio in Chemnitz Bescheid gewusst, die Informationen aber nicht rechtmäßig ausgewertet und der Polizei vorenthalten, ein Verfassungsschutzbeamter hätte sie sogar vorsätzlich abgepasst. Wegen des Erstarkens der rechtsextremen Szene in Thüringen heuerte der Verfassungsschutz Neonazis als Informanten an, darunter waren auch führende Köpfe der rechtsextremen Szene, wie zum Beispiel Tino Brandt oder Thomas Dienl. Das Parlament kritisierte auch, mitunter bekäme es die Informationen noch eher aus den Medien als vom Verfassungsschutz selber.

Im Gegensatz zum Bundesnachrichtendienst (BND), welches Informationen aus dem Ausland sammelt, die für Deutschland von sicherheits- und außenpolitischer Bedeutung sein könnten, ist der Verfassungsschutz für die Spionageabwehr und die Bekämpfung rechts- und linksextremistischen Terrors im Bundesgebiet zuständig. Jedoch hat eine Untersuchung der Universität Freiburg ergeben, dass, mit Ausnahme der Verfassungsschutzberichte Berlins und Brandenburgs, alle in den letzten vier Jahren publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern verfassungswidrig sind. Kritisiert wird somit auch, dass Organisationen, über die berichtet werden soll, die nicht nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, sondern nur unter Verdacht stehen, dann auch vom Verfassungsschutz hinreichend als Verdachtsfälle gekennzeichnet werden müssen. „Verdachtsfälle und Fälle erwiesener Verfassungsfeindlichkeit müssen klar und in einer auch für den flüchtigen Leser erkennbaren Weise unterschieden werden.“, so die Untersuchung des Instituts für Öffentliches Recht in Freiburg.