VON CLEMENS POKORNY | 07.07.2014 17:01

Bild, BamS und Politik

Dass die „Bildzeitung“ gegen Minderheiten wie ALG-II-Empfänger, Muslime oder Asylanten hetzt, ist nichts Neues. Doch eine neue Studie einer Gewerkschafts-Stiftung zeigt: Bild und BamS treten mit dem Anspruch auf, relevante politische Akteure zu sein. Ihr Einfluss auf die Entscheidungsträger in Berlin soll primär ihrem Profit dienen. Dabei ist der Springer-Konzern leider nicht mehr Schmuddelkind, sondern Vorreiter der Branche.

„Bild“ ist bäh, das lernt jedes bildungsbürgerliche Kind spätestens im Deutschunterricht der Mittelstufe auf dem Gymnasium. Doch die Springer-Medien arbeiten mit mehr als nur vielen Bildern, Skandalisierungen und Konzentration auf das Oberflächliche, und sie verfolgen klar identifizierbare Zwecke damit. Zu diesen Schlüssen kommt eine aktuelle Untersuchung der zur IG-Metall gehörenden Otto-Brenner-Stiftung. Nach einer Zwischenbilanz (UNI.DE berichtete) liegt nun die gesamte Studie vor.

Der Deutschen liebstes Hobby

Unter dem Titel „Missbrauchte Politik. „Bild“ und „BamS“ im Bundestagswahlkampf 2013“ haben Wolfgang Storz (ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau) und Hans-Jürgen Arlt (Publizist) zum dritten Mal eine Studie zur aktuellen Berichterstattung der beiden wichtigsten Organe des Springer-Konzerns veröffentlicht. Ihr Tenor lautet: Das Verlagshaus steht mit Bild und BamS an der Spitze derjenigen Massenmedien, bei denen Profit vor Qualität kommt. „Publizismus“ nennen Arlt und Storz dieses Vorgehen – von „Journalismus“ könne keine Rede mehr sein. Zu diesem Befund kommen sie in erster Linie durch ihre Analyse der Präsentation von politischen Prozessen und Akteuren in Bild und BamS. Denn diese Medien werden nach Arlt und Storz ihrer Rolle als Organe in der Demokratie nicht gerecht.

Diese These untermauern die Autoren mit einer Reihe von Fakten, die sie aus ihrer Analyse von Bild und BamS zwischen 15. Juni und 22. September 2013 (Tag der Bundestagswahl) gewonnen haben. Kein politisches Thema war in diesem Zeitraum in den Springer-Blättern derart prominent wie das der Person Angela Merkel. Obwohl sie sich der Darstellung ihres Privatlebens weitgehend entzog, auf die die Bild- und BamS-Berichterstattung über Politiker primär abhebt, wurde sie systematisch positiv dargestellt, während ihr aussichtsreichster Herausforderer, Peer Steinbrück, permanent der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Piraten, AfD und LINKE wurden in den Blättern marginalisiert bis ignoriert. Gegen Bündnis 90/Grüne fuhren Bild und BamS eine Hetzkampagne, die diese Partei auf einzelne Details reduzierte: Sie wolle die Steuern erhöhen, den Menschen einen grünen Lebensstil vorschreiben und habe nach wie vor ein ungeklärtes Verhältnis zur Pädophilie. Insgesamt hat sich der Spinger-Konzern in seinen Leitorganen schon im Juni auf die Unterstützung einer Großen Koalition unter schwarzer Führung festgelegt, was nach Arlts und Storz' Interpretation nur in seinem Interesse liegt: Wer die Marktführung im „Publizismus“ ausbauen will, bedürfe der „Kooperation der wichtigen politischen Kräfte“. Aber auch umgekehrt gilt: Wer von Deutschlands meistverkauftem Blatt nicht heruntergeschrieben werden möchte, verscherzt es sich besser nicht mit ihm.

Als wichtigster politischer Akteur tritt indes die „Bildzeitung“ selbst auf. Wie ein Volkstribun prangert sie v.a. sozialpolitische Missstände an, als ob diese vor ihr noch niemand bemerkt hätte, und präsentiert sich selbst als vernünftigste politische Kraft, die der Union, die gleichsam an zweiter Stelle kommt, gelegentlich gute Ratschläge zu erteilen sich anmaßt. Dabei fällt auf, dass so gut wie nie die Ursachen und die Verantwortlichen politischer Missstände benannt werden. Allenfalls wird pauschal „die Politik“ kritisiert – ohne Differenzierung etwa zwischen Oppositionsparteien und Regierung, obwohl ja primär letztere in der Pflicht steht, Lösungen voranzutreiben.

Doch insgesamt ist Politik in Bild und BamS auch in Wahlkampfzeiten eine Randerscheinung, die nur 10-15% einer Ausgabe einnimmt. Und selbst diese wenigen Beiträge beschränken sich meist auf weniger relevante Details wie das Privatleben von Politikern. Dabei folgen die Bild-Redakteure drei Arbeitsprinzipien: Willkür, Parteilichkeit und Selbstvermarktung. Willkür lassen sie in der stark selektiven Themenauswahl walten – im Sportteil hingegen werde sehr wohl auf Vollständigkeit innerhalb eines Themengebietes geachtet. Parteilichkeit liegt in der fehlenden Trennung von Informations- und Meinungsbeiträgen: Politik wird auf diese Weise unsachlich bis polemisch präsentiert, als unlauteres Mittel der Meinungsbildung ebenso wie als Entgegenkommen an die Bequemlichkeit denkfauler Leser, die an komplexen Artikeln nicht interessiert sind. Der Aspekt Selbstvermarktung schließlich drückt sich in einem Missverhältnis zwischen Nachricht und Überbringer aus: So richtig sensationell wird eine Meldung erst, wenn und weil sie in der „Bild“ steht, und Inhalte haben sich dem Ziel des Wachstums unterzuordnen.

Mit all dem hat sich der Springer-Konzern weit vom Journalismus, wie Arlt und Storz ihn verstehen, entfernt. Die genannten Aspekte des Bild-Publizismus sind zwar leider kein Alleinstellungsmerkmal des Mediums, werden aber nirgends sonst in der deutschen Medienlandschaft so systematisch und erfolgreich betrieben. Damit haben Bild und BamS längst eine erschreckende Vorreiterrolle in Deutschland eingenommen. Arrogantes Bild-Leser-Bashing, wie die grüne Tageszeitung taz es in einem Werbevideo einst betrieb, ist aber fehl am Platz. Bild und BamS bedienen allzu geschickt die Bedürfnisse weniger intellektueller Menschen, die durchaus studiert sein können und denen ihre massenmedial manipulierten Interessen nicht vorgeworfen werden können. Über Mittel und Ziele des unheimlichen Boulevard-Flaggschiffs tiefgreifend aufzuklären wäre eine anspruchsvolle Aufgabe des Deutschunterrichts in den oberen Klassen aller Schularten.