VON MAXIMILIAN REICHLIN | 13.10.2014 15:31

Die dunkle Seite des Internet – Über Tor und das Darknet

So gut wie jeder Mensch nutzt heute täglich das Internet. Es ist zum Alltag geworden, online einzukaufen, über soziale Netzwerke zu kommunizieren oder das Netz nach Informationen zu durchsuchen. Doch neben dem Netzwerk, das wir als Internet kennen, gibt es auch die düsteren Umgebungen des sogenannten Darknet. Dieses ist nur mit spezieller Software zu erreichen und verspricht dem Nutzer die Anonymität und Sicherheit, die im herkömmlichen Internet nicht immer gegeben ist. Deswegen ist es auch ein beliebter Treffpunkt für Whistleblower, Journalisten und Aktivisten, aber auch für Kriminelle.

Wer sich in das sogenannte „Darknet“ oder „Deep Web“, also auf die „dunkle Seite des Internet“ begeben will, muss kein kriminelles Genie sein. Lediglich die Software ist notwendig, die man aber jederzeit legal und kostenlos im Internet herunterladen kann. Die Anonymisierungssoftware Tor und ein spezieller Browser ermöglichen den Einstieg. Danach ist der Nutzer allerdings auf sich allein gestellt, denn ganz so einfach, wie das herkömmliche Internet funktioniert Tor nicht. Hilfreiche Suchmaschinen oder Dienstleister existieren zwar im Darknet, können allerdings nur gefunden werden, wenn man weiß, wonach man zu suchen hat.

Internet zum Selberbauen

Dabei helfen die Linksammlungen einzelner Nutzer, das relativ bekannte „Hidden Wiki“ oder die kürzlich entwickelte Suchmaschine „Grams“. Letztere ist optisch identisch mit dem Pendant Google, listet allerdings auch Händler von Drogen, Waffen und Pornographie oder „Dienstleister“ wie Hacker oder Auftragsmörder. „Das ist schade“ findet ZEIT-Redakteur Patrick Beuth, denn das Darknet bestehe aus mehr, als nur aus kriminellen Machenschaften, und sei grundsätzlich für alle jene gedacht, die sich anonym austauschen wollen. „Eine gute Suchmaschine, die bei der Orientierung hilft, wäre deshalb ein echter Gewinn für das Netzwerk.“

Denn die Idee hinter dem Darknet ist überhaupt nicht so düster. Abgesehen von Drogen- und Waffenhandel bietet Tor zum Beispiel auch Bloggern die Möglichkeit, anonym Beiträge zu veröffentlichen oder könne von investigativen Journalisten zur Kommunikation genutzt werden. Gerade in totalitären Regimen oder Überwachungsstaaten kann ein solches Netzwerk Leben retten. Der deutsche Aktivist Sebastian Hahn bezeichnet deswegen das Tor-Netzwerk auch als „die effektivste Technologie“ um sich gegen staatliche oder private Überwachung zu wehren. Ein Thema, das spätestens seit Bekanntmachung der NSA-Affäre durch den amerikanischen Whistleblower Edward Snowden immer relevanter wird.

So beißt sich auch der NSA, laut eigenen Angaben, immer noch die Zähne am Tor-Netzwerk aus. Gleichzeitig liegen NDR und WDR allerdings Informationen vor, die einen ganz anderen Schluss zulassen: So offenbart der Quellcode des vom NSA benutzten Spähprogramms Xkeyscore, dass jeder Nutzer der Tor-Software, ja sogar jeder, der sich nur oberflächlich im Internet über das Programm oder das Darknet informiert, automatisch in einer Datenbank des Geheimdienstes landet. Darunter nun auch etwa Sebastian Hahn, der einen Server für das Tor-Netzwerk in Deutschland betreibt. Ob der NSA allerdings über die technischen Möglichkeiten verfügt, im Darknet selbst Informationen zu sammeln oder die Aktivitäten der Nutzer zu verfolgen, ist nicht bekannt.

Paradox daran ist, dass ein Großteil der Bezüge, mit deren Hilfe Tor betrieben wird, von der amerikanischen Regierung kommen. Diese will das Darknet gezielt fördern, um etwa Menschenrechtsaktivisten, Anwälten oder eben Journalisten in Gebieten wie Syrien oder dem Irak eine anonyme Kommunikation zu ermöglichen. Möglich wird das Ganze übrigens über eine spezielle Technik, die die Verbindung nicht wie im herkömmlichen Internet von einem Netzwerkknoten zum anderen, sondern immer über mindestens drei verschiedene Server auf Umwegen herstellt und dadurch verschlüsselt. Wie bei einer Zwiebel besteht die Verbindung also aus mehreren Schichten, daher auch der ursprüngliche Name des Projekts: The Onion Router.