VON SUSANNE BREM | 18.04.2017 13:32

Sauber, leise, unauffällig: Ist X-Wind die Zukunft der Energiegewinnung?

Die National Geographic sieht Energiegewinnung durch Höhenwind wie bei X-Wind als eine der acht Durchbruchsentwicklungen 2015 in diesem Bereich. Ressourcenschonend, sicher, effizient, billig – die Entwicklung der Firma NTS klingt bahnbrechend und zukunftsträchtig. Was in anderen Ländern der Welt längst gefördert wird, stößt bei deutschen Behörden bislang noch auf Skepsis und Ablehnung. Ist das gerechtfertigt? Oder könnte die Energiewende damit einen großen Sprung nach vorne schaffen?


Die Diskussion um die Energieversorgung der Welt wird regelmäßig neu entfacht, nicht erst seit dem Reaktorunglück in Japan steht z. B. Atomenergie in Verruf. Nach wie vor werden Deutschlands Haushalte zu einem Großteil (71 Prozent, inklusive eines Kernenergie-Anteils von 13,1 Prozent, Stand 2016 BMWi) mithilfe von fossilen Brennstoffen und Atomenergie mit Strom versorgt. Der Gasverbrauch stieg letztes Jahr sogar um weitere sechs Prozent. Dabei ist z. B. Erdöl nicht unbegrenzt verfügbar. Wo regenerative Energiequellen bislang oft noch etwa als zu teuer oder ineffizient abgelehnt werden, könnten sie in einigen Jahren also doch alternativlos sein. Gemeinsam mit der fortschreitenden globalen Erwärmung verstärkt sich so immer mehr die Dringlichkeit unkonventioneller, nachhaltiger Möglichkeiten zur Energiegewinnung.

Erneuerbare Energien studieren

Höhenwindenergie wird bislang nicht richtig genutzt

Die neue X-Wind-Technologie will hier ansetzen. Die entwickelnde Firma NTS verspricht eine „völlig neue Art der CO2-freien Produktion von Elektrizität“. X-Wind will die kinetische Energie nutzbar machen, die z. B. auch Kitesurfer beim Crosswind aus dem Höhenwind ziehen. Die Flugdrachen sollen dabei aber am Boden eine Art Elektroloks ziehen. Diese energieerzeugende Anlage ist laut Geschäftsführer Uwe Ahrens bis zu viermal so effektiv wie konventionelle Windkraftanlagen.

Die von ihm beworbenen Vorteile machen große Hoffnungen: X-Wind sei effizienter als z. B. fossile Energie, dabei in Installation, Wartung, Rückbau, etc. aber deutlich günstiger. Die X-Wind-Anlagen sind nahezu unsichtbar in der Landschaft, vogel- und fledermausfreundlich, bestehen aus recycelbaren Bauteilen, werden ressourcenschonend hergestellt (es sind nicht einmal zehn Prozent des Materials von Flugwindkraftwerken nötig), sind leise und dazu noch umweltfreundlich, da z. B. jeder CO2-Ausstoß ausbleibt und Windenergie lediglich „abgezapft“ werden muss, ohne dass belastende Schadstoffe in diesen Prozess involviert wären. Das System ist außerdem so flexibel, dass Flughöhe, Anzahl und Höhe der Drachen an die Windverhältnisse sehr simpel angepasst werden können, um stets in der optimalen Höhe zu ernten. Laut Ahrens sei mit dieser Methode bis zu 80 Prozent des Jahresstrombedarfs lieferbar. Die Grundsicherung wäre damit abgedeckt.

Was fehlt, ist Geld

Wieso ist das Land dann noch nicht mit X-Wind-Anlagen übersät? Uwe Ahrens sieht verschiedene Problemstellen: Obwohl seine Entwicklung zukunftsfähig und lukrativ ist, sei es schwer, Investorengelder zu sammeln, deutsche Zulassungsbehörden und mögliche Anwohnende zu überzeugen. Deutschland sieht er als ein Land der Skepsis und des Vorbehalts. Sind die Anlagen wirklich sicher für Mensch und Natur? Ergeben sich am Ende doch Ruhestörung und Lärm? Ist das finanzielle Risiko wirklich gering genug? So berichtet der NTS-Geschäftsführer etwa von geldschweren Gutachten, die die ausreichende Windstärke in Höhenlagen messen und bestätigen sollen – obwohl dies bereits seit über 100 Jahren im Luftfahrzeugbau als gesichertes Wissen verarbeitet wird. Langwierige Genehmigungsverfahren hierzulande haben also das Sammeln von Fördergeldern bisher stark erschwert. Auch an Infrastruktur für solche Anlagen mangelt es bislang natürlich völlig. Aktuell fehlen noch etwa fünf Millionen Euro zur Finanzierung einer ersten geschlossenen E-Lokgleisbahn. Sie könnte das Anlagesystem für die Skeptischen auf den Prüfstand stellen, Vorteile und Chancen handfest beweisen, Mängel und Fehler entdecken und ausmerzen. Fünf Millionen Euro – laut Ahrens eigentlich „ein Klacks“ im Vergleich zu den Summen, die in konventionelle Offshore-Windkraft gesteckt wurde. Neuentwicklungen müssten nur mehr Chancen eingeräumt werden, um sich zu beweisen.