VON CLEMENS POKORNY
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19.04.2016 16:25
Neue Erneuerbare?
Vor allem aus den USA werden derzeit Erfolge bei der Erforschung neuer Technologien der Stromgewinnung vermeldet. Bäume und Plastikfransen im Wind, sich ausdehnende und zusammenziehende Bakterien und Plastikfolien: Die Wissenschaft zeigt sich bei der Erschließung bislang brachliegender, erneuerbarer Energie kreativ und greift dabei zum Teil doch nur auf lange bekannte Energiewandler zurück. Steht uns demnächst eine neue Energiewende bevor?
Manchen Ökos kann mensch es auch nicht recht machen: Wasserkraft zerstört den Lebensraum Fluss, Gezeitenkraftwerke das Watt, Windkraftwerke verschandeln die Landschaft und töten Vögel, und Photovoltaikanlagen machen sich auch nicht gerade hübsch und gefährden fliegende Lebewesen manchmal ebenfalls. Zum Glück werden derzeit neue Formen der Energiegewinnung ausprobiert, die diese Nachteile nicht hätten.
Sie beruhen beispielsweise auf dem Piezoeffekt („Druckeffekt“). Bereits 1880 fanden die Brüder Curie heraus, dass auf Kristallen von Turmalinen (einer Edelsteingruppe) elektrische Ladungen entstehen, wenn diese durch Druck verformt werden. Das liegt daran, dass durch den Druck die Ladungsschwerpunkte im Kristall verschoben werden und Dipole sich bilden. Statt Druck im engeren Sinne können auch Schwingungen Elektrizität erzeugen. Diese sogenannte Piezoelektrizität wurde schon bald an anderen Materialien erzeugt. Heute wird hauptsächlich der umgekehrte Piezoeffekt genutzt: Legt man Strom an ein piezoelektrisches Material (z.B. Keramik oder Quarz) an, schwingt es.
Strom können piezoelektrische Stoffe dagegen nur in sehr geringem Maße liefern – noch. Ein Forscherteam aus Ohio hat kürzlich eine Technologie entwickelt, mit der zufällige Schwingungen, z.B. von im Wind sich wiegenden Bäumen, in elektrischen Strom umgewandelt werden können. Dazu wurden im Experiment die (künstlichen) Bäume mit einem piezoelektrischen Material umwickelt. Wie das wohl in einem echten Wald aussehen würde?
Vor allem aber liefert dieser Effekt noch viel zu wenig Strom. Ein Vorhang aus flexiblen Plastikfransen, den eine Londoner Studentin erfunden hat, liefert, wenn seine Fransen im Wind flattern, gerade einmal 10% des Stroms, den ein gleich großes Solarpanel in der gleichen Zeit erzeugt – wenn auch unabhängig von der Tageszeit. Insofern wäre ihre „Moya“ („Wind“) genannte Erfindung, selbst wenn sie einmal auf den Markt kommen sollte, nur eine Ergänzung zu bisherigen Methoden der Energiegewinnung.
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Der niederländische Architekt Janjaap Ruijssenaars hingegen behauptet, eine Methode gefunden zu haben, mit der die
Schwerkraft zur Gewinnung piezoelektrischer Energie genutzt werden kann. Funktioniert sein Verfahren, könnte der Wirkungsgrad dieser Art der Energieerzeugung vielleicht vervierfacht werden. Doch hier wie auch für die anderen beschriebenen piezoelektrischen Verfahren gilt: Noch ist das alles Zukunftsmusik, und es ist ungewiss, ob sie künftig überhaupt eine Rolle spielen werden.
Das gilt auch für die sogenannte Verdunstungsenergie. Eine Forschungsgruppe aus den USA hat einen Weg gefunden,
das Verdampfen von Wasser nutzbar zu machen. Dazu wurden Sporen eines Bakteriums beidseitig auf eine Kunststofffolie aufgetragen. Die Sporen quellen bei Feuchtigkeit auf und ziehen sich bei Trockenheit zusammen, und zwar relativ schnell und stark. Um sie mit Feuchtigkeit zu konfrontieren, werden die Sporen auf der Folie in einem Kasten über eine Wasseroberfläche gebracht. Quellen sie auf, öffnen sich dadurch zugleich Klappen im Kasten, die die feuchte Luft entweichen lassen. Die Sporen ziehen sich daraufhin wieder zusammen, die Klappen schließen sich, die Luft im Kasten reichert sich wieder mit Feuchtigkeit an und der Prozess beginnt von neuem. Das Sich-Straffen und -Wellen der Folie, das durch Aufquellen und Zusammenziehen der Sporen erzeugt wird, lässt sich mit einem Generator in elektrische Energie umwandeln. Noch steht freilich auch diese Technologie am Anfang. Und wie lange die Sporen sich nutzen lassen, bis sie durch neue ersetzt werden müssen, ist auch nicht bekannt.
Zusammenziehen und glätten kann sich auch
eine Polymer-Folie, die am Forschungszentrum MIT in Massachusetts entwickelt wurde. Elektrizität liefert sie auf die gleiche Weise wie die „Bakterien-Muskeln“. Ein beteiligter Nachwuchswissenschaftler stellt sich mit Generatoren versetzte Kleidung vor, die bei körperlicher Aktivität (z.B. Sport) getragen wird und aus dem vom Körper abgesonderten Schweiß Strom z.B. für Messgeräte für Herzfrequenz oder Kalorienverbrauch bereitstellt.
Bei allen vorgestellten Technologien handelt es sich bislang um Grundlagenforschung. Sie könnte mittelfristig dazu beitragen, unsere Energieerzeugung zu ergänzen. Doch eine noch grünere Art der Stromgewinnung, die die bisherigen Erneuerbaren ersetzen könnte, ist noch nicht absehbar.
Bild: "
PDD1" von Stefan.nettesheim
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CC BY-SA 4.0