VON CLEMENS POKORNY | 25.04.2014 14:48

Schattenseiten der Erneuerbaren Energien

Windkraftanlagen verschandeln die Landschaft? Gegen die Türme der neuen Tower-Power-Solartechnologie nehmen sich Windräder bescheiden aus. Diese Art der Stromerzeugung wird derzeit in den USA getestet – mit fatalen Folgen für die Tierwelt. Auch andere „Erneuerbare“ haben ihre Schattenseiten. Dass sie dennoch insgesamt die Zukunft der Energiegewinnung darstellen, steht außer Zweifel.

350.000 garagentorgroße Spiegel auf 14,16 Quadratkilometern – das entspricht rund 2000 Fußballfeldern –, dazu drei über 130 Meter hohe Türme: So sieht ein neuer Kraftwerkstyp in der kalifornischen Wüste aus, der im Februar eingeweiht wurde. Das Prinzip ist einfach: Die Spiegel reflektieren das Sonnenlicht und bündeln es so, dass es Heizkessel an den Spitzen der Türme erwärmt. Der entstehende Wasserdampf treibt Turbinen an und versorgt so bis zu 140.000 Haushalte mit elektrischem Strom. Ist das die Zukunft der Erneuerbaren Energien?

Nachwachsende Rohstoffe

Ebenso wie die Vorteile liegen auch die Nachteile der Tower-Power-Solartechnologie auf der Hand. Man vergleiche die 350.000 Spiegel in der Wüste mit der gleichen Anzahl an Sonnenkollektoren auf den Dächern der Haushalte, die diesen Strom benötigen: Erstens braucht die Anlage in Ivanpah enorm viel Platz – auf den Häuserdächern wäre er kostenlos zu bekommen. Zweitens verschandelt der Solarpark die Landschaft, während die privaten Wohnhäuser ja bereits gebaut sind. Man kann ja darüber streiten, ob die Tower-Power-Türme oder auch unsere heimischen Windkraftanlagen das Landschaftsbild mehr stören als etwa Atomkraftwerke, aber wenn sie vermeidbar wären – wer würde dann nicht die Module auf dem heimischen Dach vorziehen? Natürlich würden solche Photovoltaikanlagen weniger Gewinn bringen, nämlich nur bei Verkauf, Installation und ggf. Wartung. Die 2,2 Milliarden Dollar, die ein Energieversorger, ein Technologieunternehmen und Google in das Ivanpah-Projekt investiert haben, sollen sich aber dauerhaft für die Konzerne auszahlen: weil die Haushalte ihnen den Strom abkaufen.

Doch aus einem dritten Grund bleibt fraglich, ob diese Rechnung aufgeht. Logischerweise erhitzt sich durch die Reflexion und Bündelung des Sonnenlichts die Luft zwischen den Spiegeln und den Türmen enorm – auf bis zu 550 Grad. Dutzende tote Vögel mit angesengten Flügeln rund um die Anlage kommen daher nicht überraschend – und beunruhigen Naturschützer besonders bei einer zweiten Anlage, die, ebenfalls mit der Tower-Power-Solartechnologie ausgerüstet, nahe eines kalifornischen Nationalparks steht. Die dortigen Türme sind sogar fast 100 Meter höher als diejenigen in Ivanpah und damit größer als jedes Windrad.

Zu den Gefahren für die Tierwelt kommen noch die Kosten. Beide Tower-Power-Anlagen sind deutlich teurer als vergleichbare konventionelle Solarkraftwerke, weil die Preise für Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen seit Beginn der Tower-Power-Projekte gefallen sind. Das spricht dafür, auch hierzulande verstärkt auf Solartechnologie zur Stromerzeugung zu setzen. Denn Energiegewinnung durch Windkraft verschandelt die Landschaft, Wasserkraftwerke zerstören den Lebensraum Fluss, Biogasanlagen forcieren die intensive und konventionelle Landwirtschaft.

Doch die Erneuerbaren Energien haben insgesamt nicht nur eine bessere Ökobilanz als die konventionellen, sondern sind auch billiger – während Atom und Kohle massiv über Steuergelder finanziert werden – und schaffen mehr Arbeitsplätze, wenn sie dezentral ausgebaut werden wie es bei der privaten Nutzung der Sonnenenergie der Fall ist. Wenn wir uns also aus der Abhängigkeit von den begrenzten fossilen Energieträgern lösen wollen, die sich zudem als politisches Druckmittel einsetzen lassen, führt an den Erneuerbaren kein Weg vorbei.