VON CLEMENS POKORNY | 05.04.2016 14:11

Wasserkraftwerke und Umweltzerstörung - Wasser auf die Mühlen der konventionellen Energien?

Wasserkraftwerke sollen grünen Strom liefern, setzen aber ihrerseits massive Umweltzerstörung voraus und belasten das betroffene Ökosystem dauerhaft. Ist das Wasser auf die Mühlen der Lobbyisten von Kohle, Atom und Gas? Mitnichten. Die Energieerzeugung der Zukunft kann nur erneuerbar sein – doch um ihre Herkunft darf und muss gestritten werden (im positiven Sinne).

Überflutung riesiger Gebiete, Verlust von deren Flora und Fauna, Veränderung des Ökosystems Fluss davor und dahinter: Wasserkraftwerke greifen massiv in den Lebensraum Fließgewässer ein. Befürworter der Wasserkraft begrüßen das sogar; sie betrachten Staustufen, zumal im Oberlauf, als Schutz weiter flussabwärts gelegener Städte vor Hochwasser. Diese Argumentation suggeriert, wir Menschen hätten ein Recht darauf, direkt am Fluss zu siedeln und Hochwasser seien ein Fehler der Natur. Tatsächlich aber schwankt der Pegel von Fließgewässern nun mal im Rhythmus der Jahreszeiten, und die Lebensgemeinschaft Auwald hat sich auf dieses Phänomen eingestellt. Erst der Mensch schränkte das freie Fließen der Ströme ein, indem er sie in ein enges Bett aus Stein oder Beton zwängte. Dadurch gruben sich die Flüsse nicht nur tiefer in ihr Bett ein, was jeweils eine Absenkung des Grundwasserspiegels und damit ein Trockenfallen des Umlands zur Folge hatte. Sie flossen auch schneller, Pflanzen wurden fortgerissen, die biologische Vielfalt im betroffenen Gewässerabschnitt nahm ab. Vor allem aber suchten und suchen sich die Lebensadern unserer Landschaft neuen Raum – früher oder später lässt sich daher nicht verhindern, dass sie über ihre Ufer treten. Nicht selten sind diese asphaltiert, das Wasser kann also nicht im Boden versickern. Erst der Mensch hat Hochwasser also zu einem Problem gemacht und es durch seine Eingriffe in den Lebensraum Fließgewässer massiv verschärft.

Schattenseiten der Erneuerbaren Energien

Wer diesem menschengemachten Übel beikommen will, ohne es an der Wurzel zu packen und die Flüsse wieder frei fließen zu lassen, handelt sich mit dem Bau von Wasserkraftwerken neue Schwierigkeiten ein. Sedimente sammeln sich vor dem Stauwehr und müssen in regelmäßigen Abständen ausgebaggert werden. Den unterhalb des Kraftwerks gelegenen Gebieten geht mitunter das Wasser, auf jeden Fall aber das Geschiebe aus. Der Gebirgsfluss Isar beispielsweise bekommt daher schon in seinem Mittellauf kaum mehr Kies. In der Folge gehen unter anderem Fischarten, die auf Kiesgrund laichen, langfristig zurück. A propos Fische: Nicht wenige von ihnen ziehen zum Laichen in den Oberlauf der Flüsse, Lachse etwa, Nasen oder auch Störe. Wasserkraftwerke versperren ihnen den Weg. An einigen Staustufen hat man dieses Problem mit sogenannten Fischtreppen beseitigt, die für die Tiere ein Bypass zum Umschwimmen der steinernen Barrieren sind – doch bei weitem nicht überall. Denn zum Bau von Fischtreppen bedarf es Geldes – und des politischen Willens der Entscheidungsträger.

Aber nicht alle Zerstörungen, die ein Wasserkraftwerk angerichtet hat, lassen sich wieder rückgängig machen. Zwei Großanlagen auf dem Balkan illustrieren das für die Donau, den völkerverbindenden Strom Europas schlechthin. Der Bau des Kraftwerks Gabčíkovo in der Slowakei Anfang der 1990er-Jahre, in dessen Rahmen der größte Teil des Donauwassers in einen Kanal umgeleitet wurde, vernichtete eines der größten und wichtigsten Auwaldgebiete Europas. Mehrere Brüche des Stauwehrs zeigten bereits kurz nach dessen Fertigstellung: Die Donau will in ihr altes Bett zurück. Doch man lässt sie bis heute nicht. Am Eisernen Tor zwischen Serbien und Rumänien, einem einstmals wild fließenden Donaudurchbruch, wurde der Fluss zwischen 1964 bis 1972 durch das Kraftwerk Djerdap I in einen Stausee verwandelt. Abgesehen von wertvollen Biotopen versank mit der Insel Ada Kaleh auch ein einmaliges Kulturgut darin. Dort hatten auch über das Ende des Osmanischen Reiches (1922, in diesem Teil des Balkan 1912) hinaus etliche Hundert Osmanen, nicht nur Türken, gelebt. Sie hatten unter anderem eine Moschee, einen Basar und mehrere Kaffeehäuser und lebten vom Fischfang sowie von der Produktion von Zigaretten und Süßwaren. Die kulturell in Europa einzigartige Siedlung war bis Ende der 1960er-Jahre ein Touristenmagnet. Vor der Überflutung wurde sie gewaltsam zerstört, ihre Bewohner in die Türkei abgeschoben oder ohne Entschädigung umgesiedelt.

Vor dem Hintergrund solcher negativer Folgen für die Natur, die auch bei heutigen Wasserkraftwerks-Neubauten und auch in Deutschland auftreten, stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Art der Energiegewinnung. Was nützt die Wasserkraft, die dem Schutz der Umwelt dienen soll, wenn sie diese zuvor zerstört? Immerhin gibt es mit Wind- und Sonnenenergieerzeugung Alternativen, die eine bessere Ökobilanz aufweisen. Noch aber hat in der Politik ein Umdenken nicht stattgefunden.