VON ANGELA SCHWEIZER | 20.05.2016 13:48

Moderne Geschlechterbilder: Wird sexistische Werbung in Deutschland bald verboten?

Justizminister Heiko Maas fordert ein Verbot sexistischer und damit geschlechterdiskriminierender Werbung in Deutschland. Ziel soll die Vermittlung eines moderneren Geschlechterbildes sein. Seit dem Vorstoß hagelt es Kritik von allen Seiten, da viele darin eine Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit sehen. Was das Verbot konkret bedeutet, ob es tatsächlich Nacktheit verbieten würde und wo es in Deutschland schon längst Alltag ist, hat UNI.DE recherchiert.

Der Gesetzentwurf des Justizministers soll Werbung verbieten, die Sexualität in übertriebener Weise herausstellt und Personen auf ihre Sexualität reduziert. Dieser Vorschlag ist nicht neu. Seit 2014 fordert das antisexistische Bündnis Pinkstinks, das Kampagnen gegen geschlechterdiskriminierende Produkte, Medien- und Werbeinhalte führt, von Justizminister Heiko Maas, sexistische Werbung gesetzlich zu regulieren. Durch sexistische Werbung werde nicht nur das weibliche Selbstwertgefühl beschädigt und bestehende Vorurteile gefestigt, sondern bereits Kindern - anstatt vielfältiger Jungen- und Mädchenbilder - limitierende Geschlechterrollen präsentiert. Im Januar 2016 setzte der SPD-Bundesvorstand schließlich ein Verbot sexistischer Werbung auf die Agenda. Eine Verabschiedung im Bundestag oder Bundesjustizministerium wird in der nächsten Legislaturperiode erwartet. Dies ist einer der vielen Maßnahmen, die der Bundesvorstand der SPD im Jahr 2016, das sie zum „Jahr der Frauen“ ernannten, umsetzen möchte. Konkret sollen Anzeigen oder Plakate in Zukunft dann verboten werden, wenn sie Frauen, ebenso wie Männer, auf Sexualobjekte reduzieren. Bisher können die dafür zuständige Wettbewerbszentrale und der Werberat nur einschreiten, wenn die Darstellungen massiv menschenverachtend sind, und beispielsweise eine Rüge aussprechen. Völlig ausreichend findet dies nicht nur die Werbebranche, sondern auch die Koalitionspartner und sogar die politische Opposition.

Gendermarketing in der Spielzeugindustrie

Kritik von allen Seiten

Seit Maas´ Vorstoß hagelt es daher Kritik von allen Seiten: „Eine weitere Geste kultureller Unterwerfung“, titelt welt-online. „Staatlich verordnete Verklemmtheit“, moniert die ZEIT. FDP-Vorsitzender Christian Lindner interpretiert weiter, dass die Verhüllung von Frauen zur Bändigung von Männern zwar von radikalen islamischen Religionsführern bekannt sei, jedoch nicht vom deutschen Integrationsminister. Dieser Populismus ist gefährlich, da das geplante Verbot weder mit Verhüllung noch mit Islam etwas zu tun hat. Ist sexistische Werbung tatsächlich ein deutsches Kulturgut, das es zu verteidigen gilt? „Sex Sells“ jedenfalls ist keine Erklärung, da die Studien längst die Marketingabteilungen erreicht haben müssten, laut denen sich die mit übertrieben zur Schau gestellter Sexualität beworbenen Produkte nicht einmal besser verkaufen. Wozu also beharren auf Relikte aus einer Zeit, in der ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für Sexismus noch nicht vorhanden war und in der Frauen an gesellschaftlicher Teilhabe und Gestaltung in großen Teilen ausgeschlossen waren?

Verbot in Berliner Bezirk längst Alltag

Das Bezirksparlament in Friedrichshain-Kreuzberg beschloss bereits vor zwei Jahren, diskriminierende und sexistische Werbung zu verbieten. Zwar gilt das Verbot nur für die vier Werbeflächen, die es in dem Bezirk gibt, es ginge jedoch mehr darum, ein Zeichen zu setzen, so die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Auch wenn die Vorstellungen darüber, wo sexistische Darstellungen anfangen, sehr unterschiedlich sind, konnte sich das dortige Bezirksparlament darauf einigen, keine Abbildungen zuzulassen, die die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage stellen oder Personen in rein sexualisierter Funktion zeigen. Beispiel ist der häufig verwendete Slogan „Wir machen geile Fußbodenbeläge“, neben der Abbildung einer nackten Frau, die am Boden liegt. Bisher machte der Bezirk mit dem Beschluss gute Erfahrungen, und hat womöglich sogar etwas zum jetzigen Gesetzesentwurf des Justizministers beigetragen.