VON CLEMENS POKORNY
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21.10.2014 16:40
Heiraten aus Liebe?
Aus Liebe heiratet noch heute, weltweit betrachtet, nur eine Minderheit. Auch in Deutschland gibt es nach wie vor finanzielle Anreize für den Bund fürs Leben – doch für den Weg ins Standesamt sind sie heute wohl nicht mehr entscheidend. Wirtschaftliche Aspekte bestimmen aber – bewusst oder unterbewusst – die Partnerwahl: Immer mehr junge Menschen heiraten innerhalb ihrer Schicht, und die vielen weiblichen Akademiker sind nicht bereit, Beziehungen zu sozial unter ihnen stehenden Männern einzugehen.
Heiraten aus Liebe? In vielen Regionen der Welt ist das bis heute nicht üblich, und auch im deutschsprachigen Raum werden „Liebesheiraten“ in nennenswerter Zahl erst seit der Romantik geschlossen. Stattdessen dienten und dienen Heiraten primär als funktionale soziale Institutionen: Zumal in patriarchalen Gesellschaften sollen sie das Auskommen der Frauen sichern und die Familie finanziell und in ihrem Fortbestand sichern. Diese Aufgaben müssen der Heirat aus Liebe nicht widerstreiten – entscheidend soll hier aber sein, aus welchen Gründen eine Ehe eingegangen wird, auch wenn sich aus so mancher „Vernunftehe“ eine Liebesbeziehung entwickelt. In wirtschaftlich oder politisch unsicheren Zeiten dominieren natürlich finanzielle Motive – bis heute.
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Wer in Deutschland heiratet, hat dafür noch immer
wirtschaftliche Anreize: Ehegattensplitting, Vorteile in der Karriere oder auch Gehaltszuschläge im öffentlichen Dienst sind nur einige davon.
Andere gibt es mittlerweile nicht mehr: Geschiedene Frauen (und Männer) werden nicht mehr lebenslang vom Ex-Partner unterhalten, uneheliche Kinder sind ehelichen gleichgestellt und die Gesellschaft akzeptiert
„wilde“ Ehen. Noch nie habe er so viele offensichtliche Liebesheiraten geschlossen, erklärte ein langjähriger Standesbeamter kürzlich. Vermutlich bewegt u.a. die wirtschaftlich unsichere Lage immer mehr junge Menschen dazu, Halt in dieser traditionellen und idealiter lebenslang geschlossenen Bindung zu suchen. Wissenschaftlich ergründet sind die Motive, heutzutage zu heiraten, aber kaum.
Umso klarer zeichnet sich dagegen ein problematischer Trend ab:
Immer weniger Menschen heiraten
„nach unten“, wählen also Partner mit niedrigeren Bildungsabschlüssen und geringerem Einkommen. Dadurch kommt, anders als es in Deutschland jahrzehntelang der Fall war, wieder vermehrt „Geld zu Geld“, während andere Familien aus der relativen Armut kaum herausfinden. Der Chefarzt, der mit der OP-Schwester eine Familie gründet, wird aber auch aus einem anderen Grund immer mehr zur Ausnahme.
56% der Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung sind weiblich, sie haben schon in der Schule bessere Noten als ihre männlichen Mitschüler und brechen ihr Studium seltener ab. Abgesehen von der Schwierigkeit, Mutterschaft mit beruflichem Erfolg zu vereinbaren, ist es daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis Frauen schon alleine mangels männlicher Konkurrenz vermehrt in Führungspositionen aufsteigen. Nur: Die hochqualifizierten Frauen folgen nachweislich den von ihnen oft so geschmähten Rollenmustern, insofern sie
zu 92% (und damit viel häufiger als beruflich erfolgreiche Männer) keine Beziehung zu einem sozial unter ihnen stehenden Mann eingehen. Wen aber sollen z.B. die 60% Frauen unter den Medizinstudenten einmal heiraten? Wenn Frauen eine noch zunehmende Mehrheit unter den Studenten stellen und ihre männlichen Kommilitonen nach wie vor gelegentlich „nach unten“ heiraten, bleiben
schlicht zu wenige „gleichrangige“ Partner für die weiblichen Master und Doktoren übrig. Immer mehr Uni-Absolventinnen bleiben denn auch lieber Singles als etwa mit einem noch so gebildeten Klempner zusammenzuleben.
Doch wer bis zum Ende des Studiums keinen dauerhaften Partner gefunden hat, bekommt danach zurecht Torschlusspanik: Der Heiratsmarkt ist bereits ab dem 30. Lebensjahr nurmehr überschaubar und unter den 35-Jährigen schließlich weitgehend abgegrast – auch wenn insbesondere Akademiker heute eher später den Bund fürs Leben eingehen als früher.
Männer haben dann oft kein Problem damit, z.B. mittellose Frauen aus Osteuropa oder Asien zu ehelichen, wie es öfter der Fall ist, wenn sie sich mit weit über 40 Jahren von einer deutschen Frau scheiden lassen. Der Mangel an unverheirateten Frauen im fraglichen Alter in Deutschland zwingt sie eher dazu. Auch wenn Frauen wiederum das Single-Dasein sozial und emotional
besser bewältigen können als Männer, werden ihnen die überkommenen
Rollenvorstellungen stärker zum Verhängnis.