VON CLEMENS POKORNY
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01.06.2012 10:48
Eine Ökostadt für die Wüste
Im Emirat Abu Dhabi entsteht derzeit Masdar City, die erste CO2-neutrale Stadt der Welt. Nachhaltigkeit ist dort oberstes Prinzip - aber die Bilanz der Ökostadt könnte mit einem faulen Trick geschönt werden.
Es ist ein ehrgeiziges Projekt: Bis 2025 soll in Abu Dhabi eine CO2-neutrale Ökostadt entstehen, die sich vollständig selbst mit der nötigen Energie versorgt. "Masdar City" ist als Vorzeigemodell ausgerechnet in einem der reichen Ölstaaten des Nahen Ostens geplant, der sich bisher eher durch Energieverschwendung auszeichnet. 22 Milliarden Dollar sind für den Bau eingeplant, der nur ein Element einer großangelegten Initiative für Erneuerbare Energien im Emirat darstellt. Wie kam es dazu?
Ihre Ölvorräte - die siebtgrößten weltweit - haben die Vereinigten Arabischen Emirate reich gemacht, doch die Scheichs von Abu Dhabi wissen auch um die Endlichkeit dieses Schatzes. Daher wollen sie mittelfristig zu globalen Vorreitern der Erneuerbaren Energien werden - und so langfristig ihre Dominanz im Energiesektor sichern. Mit Geldern aus der Ölförderung wird nun seit Mai 2009 an "Masdar City" als einer Stadt gebaut, mit der Nachhaltigkeit unter härtesten Bedingungen erprobt werden kann. Das Energiekonzept der Ökostadt hat eine Stuttgarter Firma erarbeitet. Das größte Solarkraftwerk der Welt soll die energetische Autarkie der Stadt sicherstellen. Zur Reduzierung des Energieaufwands für Kühlungsmaßnahmen schauten sich die deutschen Ingenieure aber auch uralte Prinzipien von den arabischen Altstädten ab. Unter anderem sorgt eine engstehende Bebauung und sich nach oben verbreiternde Gebäude für eine starke Reduzierung der Sonneneinstrahlung. Autos wird es in Masdar City nicht geben, stattdessen fahren kleine Elektrokabinen (Personal Rapid Transit) im Untergrund. Der zentrale Platz der Stadt wird mit großen Schirmen beschattet, die tagsüber mittels Photovoltaikzellen Strom erzeugen und nachts eingeklappt werden (siehe Bild).
Die Vision klingt großartig:
Nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip wird (nahezu) abfallfrei produziert, alle Produkte und Nebenprodukte in der Warenherstellung werden genutzt und die Umweltverschmutzung minimiert, ohne dass Ressourcen eingespart werden müssten.
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In Zukunft sollen knapp 50.000 Menschen in Masdar City bei einem - gegenüber derzeitigen Werten in Abu Dhabi - um 75% reduzierten Energieverbrauch leben. Sie arbeiten unter anderem in den 1500 geplanten Firmen und Forschungseinrichtungen aus dem Ökologiesektor. Das teilweise bereits bezogene "Masdar Institute of Science and Technology" beschäftigt sich als erste Universität überhaupt ausschließlich mit Nachhaltigkeit auf der Grundlage der erneuerbaren Energien. Für eine solch einzigartige Musterstadt war natürlich auch eine besondere Architektur gefragt, und so engagierten die Scheichs das Büro des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster, das zum Beispiel auch die Neugestaltung des Berliner Reichstags geplant hatte.
Ein wichtiger Aspekt wirft allerdings auch einen Schatten auf das visionäre Projekt: Masdar soll unter anderem über den
Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung finanziert werden. Im Rahmen dieses Instruments des Kyoto-Protokolls darf ein Akteur Emissionsrechte in dem Umfang verkaufen, in dem er in Zukunft nachweislich weniger CO2 emittieren wird. Die zugrunde zu legende hypothetische Stadt (im Falle Masdars) wäre eine für Abu Dhabi typische - also eine alles andere als nachhaltige oder sparsame. Auf diese Weise wäre die mustergültige Bilanz der Ökostadt bis zu einem gewissen Grad mit dem Recht einer anderen Stadt auf besonders viele Treibhausemissionen erkauft.
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