von André Jörg | 16.11.2017 11:53

Cohousing – Das neue Zusammen oder einer für alle und alle für einen

Der Grundstein für das sogenannte Cohousing wurde, wie so viele Errungenschaften aus dem sozialen Bereich, im skandinavischen Raum, in diesem Fall Dänemark gelegt. Es ist nicht deckungsgleich zu dem Modell der Wohngemeinschaft, jedoch gibt es viele Überschneidungen.


Auch entspricht es nicht dem Kommunenleben, das in Deutschland während den 1960ern und frühen 1970ern seinen Höhepunkt gehabt haben dürfte, zumindest wenn man die damalige, oft moralisch aufgeregte mediale Resonanz betrachtet und ihr Glauben schenkt. Dort entstand mitunter der Eindruck einer flächendeckenden Wohnform in den Universitätsstädten mit politisch erweckter Studentenschaft.

Wo Kommunen oftmals einen politischen Hintergrund besitzen und Wohngemeinschaften, vor allem in überteuerten Großstädten aus zweckmäßigen Gründen entstehen, ist das Cohousing ein Wohnmodell, das ein Beisammensein in Form von sozialem Austausch und gemeinschaftlichen Arbeiten unterstützen soll. Ein gewisses Novum besteht darin, dass immer öfter Menschen auch weit jenseits der 50 zusammenfinden. Die Beweggründe können viele sein, primär besteht die Motivation oft darin, Gemeinschaft und Austausch zu suchen. Ein Anstoß, solche neuen gemeinschaftlichen Wohnformen zu suchen, könnte auch der Blick auf die Statistiken, die die Anzahl der Singlehaushalte in Großstädten in Relation zu Familienhaushalten setzen, sein. Denn wenn man dort konsequent weiterdenkt, also im zunehmenden Alter allein zu wohnen, wenn es nicht mehr so leicht fällt, auszugehen oder wenn der tägliche Kontakt bei der Arbeit fehlt und sich so neue Kontakte nicht mehr so leicht ergeben, ist das Cohousing wohl eine dankbare Alternative, dem zu begegnen. Genauso wenig ist es für alle erstrebenswert ein Social Life im virtuellen Raum zu führen.

Daneben bietet Cohousing auch ökologische, ökonomische, sowie zeitmanagementtechnische Vorzüge. Da im Regelfall Gemeinschaftsküchen und Gemeinschaftswohnzimmer vorgesehen sind, werden viele Mehrkosten, die in einem konventionellen Haushalt entstehen, umgelegt: Viele Geräte müssen nur einmal angeschafft, Lebensmittel können geteilt und diverse Mietnebenkosten reduziert werden. Auch das sogenannte Zeitmanagement ist dem Cohousing zum Dank verpflichtet. Durch das Aufteilen teils lästiger alltäglicher Haushaltsarbeiten steht den Bewohnerinnen und Bewohnern mehr Freizeit zur Verfügung.

Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass der gemeinschaftliche Aspekt des Ganzen im Vordergrund stehen sollte.

Eine weitere Motivation im Alter diese Möglichkeit wahrzunehmen, besteht darin, den allzu frühen Umzug in ein Altersheim zu vermeiden, also an einen Ort, an dem Selbstbestimmtheit und Individualismus stark beschnitten werden. So ist es wahrscheinlich, dass Menschen im höheren Alter eine angenehmere Lebensperspektive haben, wenn sie über die Gestaltung ihres Alltags selbst entscheiden können und nicht zu irgendwelchen sonntäglichen Kaffeefahrten genötigt werden. Sollte es tatsächlich einmal soweit sein, dass Teilhabende hilfsbedürftig werden, gibt es auch die Variante sich mit jüngeren Menschen zusammen zu tun, die wachen Auges ein Teil des Haushalts werden. Als kleiner Nebeneffekt entsteht dadurch auch noch ein möglicherweise bereichernder Austausch der Generationen. Eine gemeinschaftlich in Anspruch genommene Pflegekraft könnte eine weitere Alternative zum Heimaufenthalt sein.

Drohende Armut im Rentenalter

Es ist wohl anzunehmen, dass Cohousing bei älteren Menschen, auch in Anbetracht von Alterspyramide und Altersarmut, an Popularität gewinnen wird. So bewerben bereits Organisationen wie CoHousing Berlin die Vorzüge dieses Wohnmodells. Kommunen werden darüber informiert und es gibt Projektabende, die die Attraktivität dieser neuen Wohnform hervorheben. So wird, wie bei nahezu allem in unserer Gesellschaft, auch dieses neue Wohnen durch Vermittlungsagenturen als Möglichkeit zur Kapitalbildung und -anlage angeboten.

Eine neue, möglicherweise fette Beute, die auch noch einen sozialen Geruch hat.

Ein weiterer Schritt zum Cohousing ist der gemeinschaftliche Erwerb und die Bebauung von Grundstücken. Ein Vorgang, der angesichts der Wohnungsknappheit in vielen deutschen Großstädten durchaus begrüßenswert ist.

Bricht man all diese ausgeführten Aspekte auf eine Kernthese herunter, so spricht vieles dafür, im Alter, aber auch schon in jungen Jahren, diesem Modell eine Chance zu geben. Ohne den Moralfinger recken zu wollen, wirkt es vermutlich auch einer gewissen Egozentriertheit, die bei den meisten Menschen im Alter nicht abnimmt, entgegen. Jeder kann, niemand muss.

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