Eben war man sich noch sicher, ihn gefunden zu haben: den Traumjob. In der Firma mit dem schicken Corporate Design, den netten Mitarbeitern, den flachen Hierarchien. In der renommierten Kanzlei mit dem Hammergehalt und dem piekfeinen Altbaubüro. Oder bei dem Sportartikelhersteller, wo der Abteilungsleiter ab und zu Gratiskarten fürs Fußballstadion verteilt. Doch die Begeisterung verfliegt so schnell wie die Bräune nach dem ersten Sonnenbad im Frühling.
Wie die biologische Pubertät ist auch die berufliche eine Identitätssuche, in der man nach Antworten sucht, in diesem Fall auf die Frage: Wie will ich arbeiten - Pi mal Daumen die nächsten 43 Jahre lang? Wie viele Stunden pro Woche, mit was für Menschen, wo, zu welchem Gehalt, in was für einer Arbeitsatmosphäre? Denn anders als die Generation unserer Eltern, von denen viele - Fluch oder Segen - Anstellungen auf Lebenszeit hatten, steht für uns heute alles zur Debatte. Drei Jahre Festanstellung, ein Sabbatical, zurück ins Arbeitsleben, ein Jahr ins Ausland, im Anschluss ein Kind, eine Zeit lang selbstständig, anschließend in eine neue Festanstellung - so sehen die fragmentierten Lebensläufe der Beschäftigten von heute aus. So sind wir auf der Suche - oft ein Berufsleben lang.
Wie viel Freiheit habe ich bei meiner Arbeit?
Autonomie am Arbeitsplatz ist deshalb so wichtig, weil sie die Voraussetzung dafür ist, unsere Talente und Fähigkeiten einzubringen. Und dann Selbstbewusstsein daraus zu ziehen, eine Herausforderung gemeistert zu haben.
Die absolute Austauschbarkeit der eigenen Arbeitskraft schlägt aufs Selbstbewusstsein. Befragungen unter deutschen Berufstätigen haben gezeigt, dass Selbstständige höhere Zufriedenheitswerte haben als Menschen in Anstellungsverhältnissen. Und zwar, obwohl sie drei negativen Aspekten ausgesetzt sind: Sie verdienen im Durchschnitt weniger als Festangestellte. Sie arbeiten für gewöhnlich mehr. Und sie haben ein höheres Risiko. »Dass ihre Arbeit sie trotzdem glücklich macht, zeigt, wie wichtig Selbstbestimmung für unser Berufsleben ist, sagt der Glücksforscher Frey.
Mache ich das, was ich gut kann?
Wenig macht einen im Leben so zufrieden, wie auf einem Gebiet zu arbeiten, das den eigenen Fähigkeiten entspricht.
Werde ich angemessen bezahlt?
Wenn das Einkommen kaum zum Leben reicht, ist es schwierig, von einem Traumjob zu sprechen. Ansonsten ist in Gehaltsfragen vor allem der Vergleich mit anderen entscheidend.
Mit wie vielen meiner Kollegen würde ich ein Bier trinken?
Der US-Psychologe John L. Holland unterscheidet sechs berufliche Umfelder: das intellektuelle, kreative, soziale, unternehmerische, realistische und konventionelle Umfeld. Nach Hollands Theorie favorisiert jeder Mensch drei der sechs Menschentypen - passend normalerweise zu den eigenen Fähigkeiten und Werten.
Hat meine Arbeit einen Sinn?
Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich als Arbeitnehmer der Meinung bin, durch mein Engagement werde ein weltweit agierender Großkonzern nur noch reicher, oder ob ich in meiner Arbeit einen anderen, tieferen Wert sehe. Entscheidend ist dabei nicht nur die eigene Einschätzung, sondern auch die Wertschätzung der Tätigkeit durch andere. Auch wenn Sozialpädagogen, Grundschullehrer und Hebammen in ihrem Beruf nicht besonders reich werden, sind sie zufriedener und langfristig gesünder. Auch körperlich wirkt es sich positiv aus, wenn ich einer Arbeit nachgehe, die mit meinen Werten übereinstimmt.
Wie gut ist meine Work-Life- Balance?
Die wenigsten lassen sich von den strukturellen Arbeitsbedingungen bei ihrer Berufswahl abschrecken - zum Glück. Es gäbe keine Chirurgen mehr, wüssten Medizinstudenten, was auf sie zukommt: Unterbezahlung, Operationen am Fließband, Nackenschmerzen. Die Portion Idealismus, über die man als junger Mensch verfügt, macht einen immun gegen die Einwände der Bedenkenträger. Und das ist gut.
Doch spätestens wenn sich zum ersten Mal die Frage »Gehen oder bleiben?« stellt, sollte man sich seine Work-Life-Balance eben doch mal genauer ansehen - allein aus gesundheitlichen Gründen. Wenn es den Traumjob nur im Paket mit den unmenschlichen Arbeitszeiten, der miesen Bezahlung und den seltsamen Kollegen gibt, hilft diese Erkenntnis: Der passende Beruf gibt auch Energie und nimmt nicht nur welche.
Grundsätzlich aber gilt: Wir haben es selbst in der Hand, ob wir aus unserem Jobtraum einen Traumjob machen.