VON RICHARD KEHL | 02.11.2011 15:14

War William Shakespeare ein zuversichtlicher Betrüger?

Zuversichtliche Hochstapler und Betrüger hat es schon seit Lebzeiten gegeben und wird es immer geben. Gekaufte oder zu Unrecht erworbene Doktortitel sind hier nur die Spitze des Eisbergs. Auch Regisseur und Film-Produzent Roland Emmerich hat sich diesem Thema gewidmet und begibt sich mit „Anonymus“ auf Oscar-Kurs.

„Die Feder ist mächtiger als das Schwert.“ So muss auch der britische Earl of Oxford Edward de Vere gedacht haben, der unter dem Pseudonym Anonymus mehrere weltbekannte Dramen geschrieben haben soll, die später unter dem Namen William Shakespeare Weltruhm erlangten. Mit einigen Dramen versuchte der Earl of Oxford sogar die damalige Politik zu beeinflussen. Doch die Schriftstellerei war in Adelskreisen verpönt und so musste der Earl of Oxford einen anderen Weg finden, um seine Werke und auch damit verbundenen politischen Absichten der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein Angebot vom Earl of Oxford an den Theaterautor und Schriftsteller Ben Jonson seine Werke unter Bens Namen zu veröffentlichen, wurde abgelehnt. Stattdessen nutzte einer seiner Schauspieler die Gunst der Stunde: William Shakespeare, der angeblich nicht selbst ein Wort schreiben konnte.

Es gibt viele Thesen, die für und gegen die Behauptung stehen, dass der Earl of Oxford Edward de Vere der „Ghostwriter“ hinter William Shakespeare gewesen sein soll. Jedenfalls widerspricht die Lebenszeit des Eals of Oxford von 1550 - 1604 dieser These: Viele Werke von William Shakespeare sollen erst nach 1604 entstanden sein. Diese Tatsache bezieht sich allerdings lediglich auf das Druckdatum und lässt im Ungewissen, wann die Werke erstmals zu Papier gebracht wurden.

Grund genug für Roland Emmerich das Thema erstmals filmisch mit „Anonymus“ in Hollywood-Manier um den Earl von Oxford Edward de Vere aufzugreifen und dementsprechend in Szene zu setzen. Genau wie eine Theateraufführung von Shakespeare startet er seinen Film „Anonymus“ mit einem Erzähler auf einer Theaterbühne, der den Zuseher in die Welt des 16. Jahrhunderts entführt. Hier beginnt der eigentliche Film Roland Emmerichs „Anonymus“ und erzählt in Rückblenden aus verschieden Sichtweisen der Darsteller die Geschichte um den Mythos von William Shakespeare. Dabei rückt die eigentliche Person des William Shakespeare bei „Anonymus“ in den Hintergrund. Diese wird lediglich als ungebildeter Lebemann und Schauspieler gezeigt, der skrupellos mit voller Zuversicht seine Chance als Hochstapler wahrnimmt. Vielmehr richtet sich der Focus auf das politische Geschehen des 16. Jahrhunderts, unter der Regentschaft einer erst heranwachsenden und dann im Sterbebett liegenden Königin Elisabeth (Vanessa Redgrave) mit all ihren Liebschaften, Passionen und Intrigen am Hofe um ihr Erbe. Eine innige Freundschaft, spätere Liebschaft und verbotene Leidenschaft verband sie auch mit dem Earl of Oxford, (Rhys Ifans auch zu sehen in Mr. Nice) mit dem sie einen Sohn zeugte, der auch ein Anrecht auf die Thronfolge gehabt hätte.

Roland Emmerich hat wieder einmal geklotzt und nicht gekleckert. Mit überzeugenden Darstellern, opulenten Kulissen, aufwendigen Computeranimationen und einer Portion Action hat er mit „Anonymus“ ein episches geschichtsträchtiges und gleichzeitig unterhaltend bildendes Werk in den Babelsbergern Studios geschaffen. Ein Werk, das sicherlich auch den ein oder anderen Oscar bekommen und noch für zahlreiche Spekulationen und Diskussionen sorgen wird Der Film „Anonymus“ startet am 11.November 2011 in den deutschen Kinos.