VON SUSANNE BREM | 20.07.2017 10:38

Auge um Auge: Wie gehen Männer und Frauen mit Konkurrenz um?

Mit ausgefahrenen Ellbogen auf Konfrontationskurs – ist das ein typisches Männerding im Beruf? Ja und nein, wie mehrere Studien zeigen. Konkurrenzdenken existiert unter Frauen, unter Männern und in gemischt-geschlechtlichen Gruppen. Ausgetragen werden Hahnen- bzw. „Hennenkämpfe“ also gleichermaßen, allerdings in unterschiedlicher Form. Und: Anders als Frauen „genießen“ Männer es in der Regel auch. Wie kommt das? Wie äußert sich Konkurrenzkampf und ist das so in Ordnung?

Eine Studie der Aalto-Universität Helsinki hat Erstaunliches zutage gebracht: Konkurrenz wird von Männern in der Regel als positiv empfunden – Frauen fühlten sich dagegen unwohl dabei, bedroht, ängstlich oder neidisch. Sie nahmen den direkten Wettkampf nicht als bereichernd wahr. Gemessen wurde das anhand eines Online-Spiels: 65 Männer und 65 Frauen traten in Zweierteams gegeneinander an (gleich- wie gegengeschlechtlich); dabei wurden einerseits ihre affektiven Reaktionen während des Spiels gemessen, andererseits ihre eigenen Wahrnehmungen und Beschreibungen ihres Empfindens berücksichtigt und ausgewertet. Das Ergebnis: Die Männer zogen aus der Wettkampfsituation positive Gefühle, anders als im kooperativen Spielmodus. Ein derartiger Unterschied konnte dagegen weder den Erläuterungen der Damen entnommen werden, noch zum Beispiel anhand einer veränderten Herzfrequenz im Spiel oder abweichender Mimik bei ihnen festgestellt werden. Sind Männer also kompetitiver? Ja, scheinbar sind sie das.

Frauen agieren in Konkurrenzsituationen anders als Männer

Allgemein gilt: Ein gesundes Maß an Konkurrenz ist förderlich für ergiebiges Arbeiten. Dass Männer mit Wettkampf gut zurecht kommen und persönlichen Gewinn daraus ziehen, während Frauen solchen Situationen verhalten gegenüber stehen, führen Forschergruppen auf die unterschiedliche Sozialisierung von Männern und Frauen im Kindesalter zurück. Das „starke Geschlecht“ sei früh mit Rivalitäten konfrontiert und kann deshalb lockerer damit umgehen; sie nehmen Konkurrenz auch nicht persönlich – Frauen dagegen schon. Mädchen werde schon jung „die Moral des Nicht-Verletzens“ angelernt; vordergründige Eintracht und Solidarität würden für sie hochgehalten werden, was jedoch offene Konfrontation erschwert. Frauen würden deshalb Konkurrenzsituationen mit Strategien wie Kommunikationsverweigerung, Sticheleien, Intrigen und anderen subtilen Techniken bewältigen. Das Ablehnen jedes Herausstechens wird auch Krebskorb-Prinzip genannt: Jeder Krebs, der es in einem Korb schafft hochzuklettern, wird von den anderen wieder zurückgezogen. Alle haben im selben „Boot“ zu sitzen – und dort zu bleiben, so der Kodex. Nicht beachten dessen wird nicht akzeptiert.

Frauen nehmen Konkurrenz oft persönlich

Während es bei Männern recht sachlich um Themen wie die Position im Unternehmen oder Gehalt geht, sie in ihrer Leistung konkurrieren und den „Sieger“ über berufliche Erfolge und auf Kompetenz und Fleiß basierendes Weiterkommen festmachen, empfinden Frauen Rivalität als persönliche Bedrohung. Sie kämpfen verdeckt, streuen Gerüchte, stellen Beine und lästern.

Wertschätzung im Beruf leben und erleben

Dieses Phänomen der Stutenbissigkeit kommt unabhängig vom Bildungsstand vor und vor allem bei Frauen mit instabilem Selbstwertgefühl: Neid spielt hier oftmals eine Rolle, wenn eine Kollegin schöner, fähiger oder wortgewandter ist. Indem sie demontiert und schlecht gemacht wird, wertet man sich selbst auf – das stellt Wissenschaftler Abraham Buunk in seiner Studie „Sexueller Wettkampf bei der Arbeit“ (2012) fest. Er begründet die unterschiedliche Handhabung kompetitiver Situationen bei Männern und Frauen mit deren unterschiedlicher Art zu denken: Männern gehe es insbesondere um ihren Status und ihre Position im Unternehmen, Frauen mehr um soziale Beziehungen und ihre Vernetzung. Da Frauen auf Solidarität untereinander „getrimmt“ seien, für sie aber Rivalität mehr eine persönliche statt sachliche Angelegenheit sei, liefen ihre Machtkämpfe untereinander ebenso auf persönlicher Ebene ab.

Umdenken bei den unter 35-Jährigen

Gleichzeitig hätten aber auch ältere Männer Probleme mit weiblicher Konkurrenz. Bei den unter 35-Jährigen nehme dies allerdings ab, sie versuchen öfter einfach mit Fleiß die Konkurrenz auszustechen. Psychologin Sandra Jankowski rät, schon im Kindesalter anzusetzen, intrigantem Verhalten bei Mädchen entgegen zu wirken und das direkte, offene Austragen von Meinungsverschiedenheiten zu fördern. Eine solche neue Denkweise könne trainiert werden: abweichende Meinungen nicht persönlich nehmen und sie akzeptieren lernen; Rivalität als Ansporn ansehen und als Möglichkeit, sich selbst zu bessern. Denn das ermöglicht echte Solidarität.