VON SINEM S. | 27.08.2012 15:39

Spekulation mit dem Hunger

Die Deutsche Bank, die Allianz und weitere Finanzberater werben seit Jahren mit Agrarrohstoffen als Geldanlage, die hohe Gewinne verheißen. Doch die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die den Spekulanten noch mehr Geld beschert, bedeutet für die Ärmsten weniger Essen und folglich größere Hungerkatastrophen. Während wir hierzulande nur zehn Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, müssen Menschen in Entwicklungsländern oftmals bis zu 80 Prozent dafür bezahlen. Diese Ungerechtigkeit wird durch große Finanzdienstleister mitverantwortet.

Im Jahr 2008 hatte die Lebensmittelkrise weltweit ihren Höhepunkt erreicht: Rund eine Milliarde Menschen konnten sich nicht mehr mit Essen versorgen, in 61 Ländern gab es Hungerproteste ob der schlimmen Lage. Vor allem Frauen trifft es hart: Sie müssen erst alle Kinder versorgen, bevor sie an sich selbst denken dürfen. Bundestag in einer öffentlichen Stellungnahme.

Hunger

Spekulation mit Nahrungsmitteln ist für diese Krisen mitverantwortlich, mit den sogenannten Indexfonds werden Rohstoffpreise künstlich in die Höhe getrieben, da sie die Nachfrage schüren, und dadurch die Preise explodieren. Spekulanten, die mit den Preisschwankungen großes Geld verdienen sind schuld daran, dass sich Menschen in armen Ländern ihre Lebensmittel nicht mehr leisten können. Grundsätzlich ist Spekulation nicht schlecht, denn solange sie die Liquidität für die Abwicklung der Termingeschäfte bereitstellen, sind Preisrisiken im physischen Agrarrohstoffhandel abgesichert. Doch exzessive Spekulation gefährdet die Warenterminmärkte und ist für Preisschwankungen mitverantwortlich. Besonders Allianz-Tochter Pimco investierte Milliarden in solche Fonds und setzt auf steigende Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Dennoch leugnet auch die Allianz zum Beispiel, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht und macht eher Korruption, Klimawandel und begrenzte Wasserreserven für die Missstände verantwortlich. Es gibt keinen eindeutigen Beleg, der die exzessiven Preissprünge der letzten Jahre auf dem Rohstoffmarkt erklären könnte, doch es existieren Indizien hierfür. Andere Unternehmen beendeten ihre Spekulation mit Nahrungsmitteln: Nach der Commerzbank zog sich auch jüngst die Landesbank Berlin aus dem unsäglichen Geschäft zurück. Da die Deutsche Bank nach wie vor in Agrarrohstoffe investiert, hatte die Organisation foodwatch mit ihrer Kampagne „Hände weg vom Acker, Mann“ für Aufsehen gesorgt.

Bundestag in einer öffentlichen Stellungnahme. Der Report „Die Hungermacher: Wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren“, den foodwatch 2011 herausgab, legt dar, warum und wie die Unternehmen an den Rohstoffbörsen Schaden anrichten. Darin wird auch erwähnt, dass Banken und Investmentgesellschaften an Gebühren verdienen, die sie auf Spekulationen erheben, egal ob die Fonds Gewinne oder Verluste machen. Gefordert wird die Regulierung der Finanzmärkte, die solchen Wettspielen ein Ende bereiten könnte. Bedenklich ist in Europa die bisher unzureichende Aufsicht über Rohstoff- und Rohstoffterminmärkte, auch die Bundesregierung sollte sich bei der anstehenden Finanzmarktreform für eine bessere Finanzmarktaufsicht auf nationaler und europäischer Ebene einsetzen. Trotzdem profitieren nach wie vor europäische Landwirte und Agrarexporteure von den hohen Erzeugerpreisen und sind dementsprechend an einer Änderung der Gesetzeslage wenig interessiert. Ohnehin wird aus dieser Richtung vermehrt das Argument angeführt, solange es keinen eindeutigen Beweis für einen Zusammenhang zwischen Spekulationen und Hungerkatastrophen gäbe, wäre Kritik in dieser Richtung hinfällig. Dennoch sollten Spekulationen gesetzlich anerkannt und verhindert werden, die Börsen in Europa sollten einheitlicher gestaltet, und Preislimits für Rohstoffe eingeführt werden. Diese Forderungen stellte Markus Hehn von weed (World Economy, Ecology and Development) unter anderem an den deutschen Bundestag in einer öffentlichen Stellungnahme.