VON ALEXANDER STIEHLE | 08.11.2012 15:27

Rechtsextreme Gewalt in Deutschland

Die Gräueltaten von Hitler und seiner Nazibrut liegen nun schon 67 Jahre zurück. Nichtsdestotrotz erfahren deutsche Bürger mit Migrationshintergrund auch heute noch rechtsextreme Gewalt in Deutschland.



Entwicklung

Der Beginn von rechtsextremer Gewalt in Deutschland kann in der Weimarer Republik gesucht werden. Die wohl erste als „rechtsterroristisch“ zu bezeichnende Tat geschah am 21. Februar 1919. An diesem Freitag war gegen 9.45 Uhr der damalige bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) gerade auf dem Weg von seiner Münchner Dienstwohnung zum Sitz des Landtages in der Prannerstraße. Plötzlich überquerte Anton Graf Arco-Valley die Straße, näherte sich Eisner von hinten und schoss ihm zweimal in den Nacken. Seine Leibwächter eröffneten das Feuer und verletzten den Attentäter lebensgefährlich, doch für Eisner kam jede Hilfe zu spät. Er war sofort tot. In der Weimarer Republik waren Anschläge von rechtsextremen Tätern eine reale Gefahr. Besonders die mythenumrankte Geheimgruppe „Organisation Consul“ (OC), um den früheren Freikorps-Führer Hermann Erhardt, konnte für die Anschläge verantwortlich gemacht werden. Nach dem international Aufsehen erregenden Attentat auf den amtierenden Außenminister Walter Rathenau am 24. Juni 1922 wurde die OC durch das Republikschutzgesetz zerschlagen. Viele der verbliebenen Anhänger schlossen sich anderen Gruppen an, wie zum Beispiel der gerade entstehenden SA der Hitler-Bewegung. Insgesamt fielen in den Anfangsjahren der Weimarer Republik 400 Menschen Aktionen rechter Terrorgruppen zum Opfer.

Ab 1933 gehörte rechte Gewalt zum Alltag: Die SA begann Überfälle und Attentate, bei denen viele Menschen sterben mussten. Mehrfach wurde die SA verboten, doch sie zählte mittlerweile schon über 100.000 Mitglieder, sodass es nicht mehr möglich war, sie zu zerschlagen. Während des zweiten Weltkrieges gipfelte der Rassenhass in absoluter Perversion. Nach dem Sieg der Alliierten gab es kaum Guerilla-Tätigkeiten von Nazis gegen die Siegermächte. Insgesamt kam es während der Anfangsphase der Bundesrepublik kaum zu Übergriffen durch rechtsextremistische Organisationen. Erst in den sechziger Jahren bildete sich ein gewaltbereiter neonazistischer Untergrund.

Karl-Heinz Hoffmann gründete die „Wehrsportgruppe Hoffmann“, die zur größten militanten Neonazi-Gruppe wurde. Auf ihr Konto ging einer der bekanntesten Anschläge in Deutschland: Das Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest 1980. Zwölf Menschen starben, 210 wurden verletzt. Bis heute ist der Fall noch nicht ganz aufgeklärt, weil der Attentäter Selbstmord begangen hat.

Aktuelle Situation

Der „Tagesspiegel“ und „Die Zeit“ haben recherchiert, dass in dem Zeitraum von 1990 bis heute mindestens 149 Menschen ihr Leben durch Angriffe rechtsextremer Täter verloren haben. Erst vor kurzem standen die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im Fokus. Die Neonazis Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Bönhardt haben 13 Jahre lang in Deutschland gemordet und gebombt. Anfangs wurde hinter den vielen Morden kein rechtsextremes Motiv vermutet, daher ermittelten die Beamten jahrelang in die falsche Richtung. Erst am vierten November 2011, als die Polizei zwei Leichen in einem Wohnwagen bei Eisenach entdeckten, kamen sie der größten rechtsextremen Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik auf die Spur. Niemand hatte bis dahin vermutet, dass eine so kaltblütige und gut organisierte rechte Terrorzelle in Deutschland existiere. Acht türkische und ein griechisch stämmiger Kleinunternehmer, sowie eine Polizistin wurden von dem Trio innerhalb von sieben Jahren ermordet. Diese Ereignisse markierten den Wendepunkt im Umgang mit rechter Gewalt in Deutschland.

Angst als Instrument

Pussy Riot

Neonazis instrumentalisieren das Phänomen der Angst, um sich so selbst zu schützen, damit sie die Gesellschaft terrorisieren können. Indem sie Angst schüren, blockieren sie das Handeln, sodass die Menschen lieber wegschauen als einzugreifen. Dementsprechend haben sie größere Freiheiten zum Agieren. Allein schon ihre optische Erscheinung untermauert diese These: Der klassische Nazi trägt hohe, schwarze Springerstiefel, eine dicke Jacke und hat eine Glatze. So schüchtern sie schon im Vorhinein ihr Umfeld ein. Mittlerweile sind die Vertreter rechten Gedankenguts leider nicht mehr so einfach auszumachen. Um unbemerkt zu wirken gleichen sie sich ihrem Umfeld an. Die Gesellschaft darf aber nicht zulassen, dass solch beschränkte Geister das Handeln blockieren. Eine Demokratie kann nur von einem angstfreien Bürgertum praktiziert werden.