VON ALEXANDER STIEHLE | 02.11.2012 12:24

Angst

Das Wort „Angst“ ist aus dem griechischen Verb „agchein“ und dem lateinischen „angere“ abgeleitet. Beides bedeutet so viel wie „würgen“ oder „die Kehle zuschnüren“.

Angst ist normal, wenn sie den Körper in einer wirklich bedrohlichen Situation in Alarmbereitschaft versetzt, um ihn auf „Flucht“ oder „Verteidigung“ vorzubereiten. Von einer Angststörung spricht man, wenn der Körper in Situationen, in denen keine reale Bedrohung vorliegt immer heftige Angst erlebt. Eine Angststörung führt bei den meisten Menschen zu einem Verlust der Lebensqualität und insgesamt zu großen Einschränkungen im Alltag.

Die körperlichen Symptome der Angst sind vor allem Herzklopfen, Anstieg des Blutdrucks, schnelle Atmung bis hin zur Atemnot, Blässe, Zittern, Übelkeit sowie eventuell auch Wahrnehmungsstörungen oder Ohnmacht. Vermittelt werden diese Reaktionen durch das sympathische Nervensystem. Dadurch wird ein Aktivierungsmuster eingeleitet, das körperliche Ressourcen für das Handeln bereitstellt, aber unter Umständen zunächst zu Lähmung und Verharren (Schreckstarre) führen kann. Solch eine Schreckstarre ist vorteilhaft, weil viele Raubtiere auf Bewegung reagieren.

Angst im Gehirn

Persönlichkeit – was macht uns so einzigartig?

Bei der Entstehung von Angst und Furcht spielen verschiedene Gehirnbereiche eine Rolle. Der Hypothalamus ist für die Angstentstehung sehr wichtig und Zielort für Psychopharmaka. Er beeinflusst das sympathische Nervensystem und sekretiert das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH), wenn er Stresssignale aus dem Cortex oder anderen Bereichen des limbischen Systems empfängt. Das CRH bewirkt, dass die Hypophyse Corticotropin ausschüttet, was wiederrum die Freisetzung von Cortisol in der Nebennierenrinde veranlasst. Auf diese Weise wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Mäuse, deren Gen für das CRH-Bindeprotein gentechnisch bereits in der befruchteten Eizelle zerstört wurde, zeigten ständig ein ängstliches Verhalten, und zwar auch ohne äußeren Anlass. Das Protein bindet normalerweise CRH und reduziert so dessen Aktivierung von Rezeptoren, die die Ausschüttung von Stresshormonen und andere Stoffwechselprozesse in Gang setzen. Der bedeutendste Hirnbereich für die Angstentstehung ist die Amygdala. Sie ist bei Angstzuständen aktiv, auch bei Angststörungen, wie zum Beispiel Phobien. Wird sie elektrisch stimuliert, erhöhen sich Herzschlag- und Atemfrequenz, Blutdruck usw. sowie die Konzentration von Cortisol, was den natürlichen und konditionierten Furcht-Anzeichen entspricht.

Angst als Krankheit

Wie schon weiter oben erwähnt ist Angst an sich sehr wichtig, weil sie der Auslöser zu einer Flucht- oder Verteidigungsreaktion sein kann. Angst wird jedoch zur Krankheit, wenn man stark unter ihr leidet oder sie unangemessen stark in Bezug auf den Auslöser ist, oder ohne Grund auftritt. Die Panikattacke ist zum Beispiel eine Form von krankhafter Angst. Hierbei gibt es spontane Panikattacken, bei denen das Einsetzen der Panikattacke nicht von situativen Auslösern abhängt. Andererseits gibt es auch situationsgebundene Panikattacken, die fast immer bei einer direkten Konfrontation mit einem bestimmten Reiz auftreten. Die häufigsten Symptome bei Panikattacken sind Herzrasen, Schwindel und Atemnot. Auf panik-attacken.de gibt es eine gute Schilderung des Krankheitsbildes:

"Mir wird plötzlich ganz schwindlig und übel. Meine Hände werden taub, im linken Arm entsteht ein eigenartiges Kribbelgefühl, meine Knie werden ganz weich. Ich habe Angst, umzufallen und ohnmächtig zu werden, dann dazuliegen, und niemand kommt mir zu Hilfe. Mein Herz beginnt zu rasen, ich spüre einen Druck auf der Brust und fürchte, dass ich einen Herzinfarkt bekomme und sterben muss. Mir wird ganz heiß, ich bekomme Hitzewallungen, das Blut steigt von unten nach oben. Ich beginne zu schwitzen, auf einmal überfällt mich ein Kälteschauer am ganzen Körper. Ich beginne zu zittern, am liebsten würde ich davonlaufen, aber ich fühle mich wie gelähmt. Meine Kehle schnürt sich zusammen, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ich ringe um Luft, aber es reicht nicht, ich atme noch mehr und spüre, wie der Druck in meinem Brustkorb ansteigt. Ich bin dann gar nicht mehr richtig da und glaube, gleich überzuschnappen und verrückt zu werden. Alles erscheint so unwirklich. Wenn ich das Ganze überlebe, glaube ich, dass ich in die Psychiatrie komme. Die Panikattacke dauert etwa eine Viertelstunde.“

Eine weitere bekannte Krankheit ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Bis in die 70er Jahre wurden Menschen mit traumatischen Erlebnissen als „Simulanten“ abgestempelt, die nur den Wunsch nach finanzieller Entschädigung im Sinn hatten. Heute ist die Forschung zum Glück weiter. PTBS kann durch eine Vielzahl von traumatischen Erlebnissen ausgelöst werden. Die häufigste Ursache für PTBS ist Vergewaltigung. Eine deutsche Studie, die an 14 bis 24 jährigen durchgeführt wurde, ergab, dass Vergewaltigung bei 50 Prozent der Auslöser für PTBS war. Die Symptome sind natürlich individuell verschieden, dennoch weisen Menschen, die ein traumatisches Erlebnis hinter sich haben, ein paar gemeinsame Symptome auf: Schlaflosigkeit, Alpträume, sozialer Rückzug, Depression, Interessenlosigkeit und extreme Reizbarkeit. Im Mittelpunkt des Störungsbildes stehen die Erinnerungssymptome (Intrusionen): Das ehemals Erlebte geht vielen Traumatisierten ständig durch den Kopf, sie können die Gedanken einfach nicht abschalten. Therapiemöglichkeiten um diesen Krankheitsbildern entgegenzuwirken sind zum Beispiel Medikation und Verhaltenstherapie. Die Medikation stellt für viele Betroffene den Einstieg in eine weiterführende Therapie dar. Medikamente sollten aber nie die Endstation der Behandlung sein, eine professionelle Therapie ist unerlässlich. Bei der Verhaltenstherapie werden die Patienten absichtlich mit ihrer Angst konfrontiert. Ziel ist es so Bewältigungsstrategien zu erlernen, um so mit der Angst fertig zu werden.