VON CHARLOTTE MEYER | 12.06.2015 12:59

Psycho-Apps – mit dem Smartphone zur geistigen Gesundheit?

Wir benutzen Apps für alles Mögliche und in fast allen Lebenslagen: Wir suchen Zugverbindungen, teilen Nachrichten mit unseren Freunden, schlagen Fremdwörter nach, lesen Zeitungen. Es gibt im Grunde Apps für alles. So auch Apps, die sich mit der Psyche des Menschen befassen. Neben einfachen Unterhaltungs-Psychotest-Programmen gibt es hier auch komplexere Beispiele, die uns von psychischen Erkrankungen heilen wollen. UNI.DE gibt einen kleinen Einblick in dieses Feld der mobilen Programme.


Das Handy als Therapeut – die App ARYA

Die App ARYA hat sich selbst zum Vorsatz genommen, das Leben von Menschen wieder gut zu machen, die an Depressionen leiden. Das Entwicklerteam aus den Niederlanden möchte in diesem Zug Therapie verbessern und die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen abbauen. Der Gründungsimpuls war laut der Geschäftsführerin von ARYA ein persönlicher: „Ich bin eine Person, die mit Depressionen lebt und an einem gewissen Punkt in meinem Leben habe ich mich entschieden, aufzuhören, das Opfer zu sein. Ich versuche, meine Geschichte als Beispiel zu nehmen um das Leben von Millionen von Menschen zu verbessern“. Die App kann dabei in eine Therapie integriert werden, in der der Therapeut die eingegebenen Daten des Patienten auswerten kann. Sie kann auch vor oder nach einer Therapie verwendet werden, um Wartezeiten zu überbrücken oder um dem Rückfall in die Depression entgegenzuwirken. Das „Hero-Feature“ von ARYA hält zudem den Patienten aktiv. Es kann auf die Muster des Benutzers programmiert werden und ihn so daran erinnern, Dinge zu tun, die ihm gut tun. Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen jedoch lässt sich nicht allein durch eine App lösen. Hierfür organisieren die Gründer von ARYA Events und Aktionen in der nicht-digitalen Welt.

Du musst funktionieren!

Mit einem Wisch das frühere Leben erkennen

Einen komplett anderen Ansatz verfolgt der „Kalligraphie-Analysator“. Hier geht es nicht darum, Gesellschaftskrankheiten anzugehen, sondern die Psychostruktur des Benutzers anhand seiner Handschrift zu erkennen. Oder sollte man vielleicht doch sagen: Fingerschrift, denn analysiert werden kann nur das Streichen über das Smartphone. Da man bekanntlich nicht immer auf die gleiche Art und Weise über sein Handy wischt, variiert das Psycho-Ergebnis der App. Auf die Frage: „Wer warst Du in deinem früheren Leben?“ antwortet das Programm so in einem Moment mit Karl Marx und im anderen mit Napoleon. Eine fundierte Psychoanalyse kommt so wohl nicht zustande, aber die App macht Spaß und ersetzt vielleicht das Horoskop-Stöbern auf der Suche nach der eigenen Identität.

Psycho-Apps als künftige Selbsthilfegruppe?

Die Forschung über ernsthafte psychologische Hilfe durch das Smartphone boomt. So bietet beispielsweise das U.S. Department of Veterans Affairs, das Kriegsveteranen-Ministerium, ein kostenloses Handy-Programm an, das Veteranen mit posttraumatischer Belastungsstörung helfen soll, den Alltag zu erleichtern. Viele Studien werden auch veröffentlicht zu Smartphone-Programmen bei psychischen Problemen. Während es bei der Forschung in den USA dabei um Apps geht, die auf die Stimmung der Patienten reagieren sollen, stehen in Europa eher Programme zu Essstörungen und zur Unterstützung bei Depressionen im Fokus. Den großen Vorteil, den die Apps generell bieten, sind ihre geringen Kosten. Um vielen Menschen eine Therapie zu ermöglichen, bräuchte man im herkömmlichen Sinne sehr viele Therapeuten und es kommen Wartezeiten noch dazu. Wenn man allerdings die gleiche Anzahl an Menschen mit einer App behandeln möchte, benötigt man lediglich eine Hand voll Forscher und einen IT-Spezialisten. In Deutschland ist jedoch das Problem, das niemand in die Entwicklung solcher Apps investieren möchte. Die Kosten für die Entwicklung sind hoch und keine Krankenkasse würde für die Behandlung mit solchen Programmen bezahlen. Deshalb bleibt die Psychotherapie in Deutschland wohl vorerst auf die traditionelle Beziehung zwischen Patient und Therapeut beschränkt. Doch könnte es sein, dass Apps neben Selbsthilfegruppen Teil einer gestuften Therapie werden könnten, die einer ambulanten oder klinischen Behandlung voraus geht. Bleibt nur- wie immer- die Frage nach dem Datenschutz.