VON SINEM S. | 22.03.2012 15:47

Kopftuch - mehr als ein Glaubensbekenntnis?

Bereits seit einigen Jahren wird die Debatte um das Tragen des Kopftuches in öffentlichen Einrichtungen hitzig diskutiert.

Sehen die einen darin einen Ausdruck religiöser und persönlicher Freiheit, steht das Stück Stoff für andere für die Unterdrückung der Frauen durch die Männer und den Islam und den Zwang zur Verhüllung. Kaum einer kann verstehen, wie sich jemand freiwillig für das Bedecken des Hauptes entscheiden kann und sich damit wirklich frei fühlt. Doch es gibt sie, junge, ehrgeizige Muslima, die sich nur in einer Hinsicht von ihren Mitbürgerinnen unterscheiden: Sie glauben daran, dass auch heutzutage das Kopftuch notwendig ist, um sich Allah und dem Islam bedingungslos hinzugeben.

Ein Präzedenzfall in Deutschland war es, der die Diskussionen, ob und wie viel Religionsfreiheit staatlichen Bediensteten zusteht, schürte. Fereshta Ludin, muslimische Lehramtsanwärterin, wurde 1999 der Weg in das Beamtentum versagt, da sie sich weigerte, in ihrer Referendariatszeit das Tuch abzulegen. Die baden-württembergische Schulbehörde begründete ihre Entscheidung vor allem damit, dass das Tragen der Kopfbedeckung nicht nur ein Zeichen religiöser Abgrenzung, sondern auch ein politischer Akt sei, der einer Autoritätsperson im öffentlichen Dienst nicht zustehe. Der Konflikt trug sich bis zum Bundesverfassungsgericht, welches letzten Endes entschied, dass dies jeweils in der Entscheidungsgewalt der einzelnen Länder liege. Bisher haben sich konkret 8 Bundesländer gegen ein Kopftuch in öffentlichen Einrichtungen entschieden, darunter auch Bayern und Berlin.

Kopftuch nicht gleich Unterdrückung?

Schwierig ist die Entscheidung wohl auf jeden Fall, denn für die einen ist das Tragen des Kopftuches mit Unterdrückung gleichzusetzen, für die anderen gleich einem selbstbestimmten Akt, der musilimische Frauen gleichsam von der Tradition ihrer Herkunftsfamilie distanziert und sich in der neuen westlichen Kultur verorten lässt, quasi identitätsstiftend wirkt. Öffentliche Stimmen regen sich, dass das Kopftuch Integration auch verhindern könne, so die bekannte Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Seyran Ates, die im Zuge ihrer Arbeit bereits mehrfach mit religiöser Gewalt und Todesdrohungen konfrontiert wurde. So sagt sie: "Es ist leicht, aus der Ferne und ohne eigene Betroffenheit das Kopftuch zu tolerieren. Für mich ist das jedoch keine Toleranz, sondern Ignoranz. Das Kopftuch und der Tschador symbolisieren in meinen Augen die Unterwerfung der Frau. Aber solange das Kopftuch fremdbestimmt, also vom Mann bestimmt ist, werde ich mich mit den Frauen solidarisieren, die endlich das Kopftuch oder den Tschador ablegen wollen." (VIA REGIA – Blätter für internationale kulturelle Kommunikation Heft 68/69, 2000, herausgegeben vom Europäischen Kultur- und Informationszentrum in Thüringen).

Kruzifix vs. Kopftuch

Doch was ist mit dem Kruzifix in deutschen Klassenzimmern? Sind nicht auch diese religiöse Zeichen, die an einem neutralen Ort wie der Schule eigentlich nichts zu suchen haben sollten? Aygül Özkan, niedersächsische Ministerpräsidentin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration, tat sich selbst wohl keinen Gefallen, als sie sich noch vor ihrem Amtsantritt eindeutig dafür aussprach, sämtliche religiöse Zeichen aus den Schulen zu verbannen, sei es nun Kopftuch oder Kruzifix. Der Aufschrei in den eigenen, christlichen Reihen war natürlich groß, so weit wollte man nun wohl doch nicht gehen. Also zog sie ihre Meinung zurück und fügte sich still und leise. Nun gibt es aber auch in der CDU/CSU Stimmen wie die vom Altkonservativen Peter Gauweiler, dem „Kopftuchmädchen allemal lieber seien als Arschgeweihmädchen“. Fereshta Ludin zumindest gab nach der Absage des Bundesverfassungsgericht auf, und zog sich zurück. Das Kopftuch war ihr wichtiger als ein Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst.