VON SUSANNE BREM | 27.03.2017 14:19

Flächenversiegelung: Wird zu viel Boden vom Mensch beansprucht und zerstört?

Täglich werden laut Statistischem Bundesamt etwa 73 Hektar Bodenfläche in Bauland umgewandelt. Das sind über 100 Fußballfelder, die in Deutschland also jeden Tag für Wohnraum und Infrastruktur freigegeben werden. Etwa die Hälfte davon wird auch mit Asphalt und ähnlichem überzogen und somit versiegelt. Dabei war das Ziel der Bundesregierung eigentlich, den Flächenverbrauch zu reduzieren: Nur noch 30 Hektar täglich sind angestrebt. Diese Pläne sind aber voraussichtlich nicht einhaltbar. Aus welchen Gründen ist das so schwierig umzusetzen? Und welche Bedeutung und Folgen hat der fortschreitende Bodenverbrauch?


Boden- oder Flächenverbrauch als Begriff zielt zunächst nicht konkret auf Beton und Asphalt ab, gemeint ist mehr der „Verbrauch natürlicher Bodenfunktionen“, also die Beanspruchung der Ressource Boden in einer Art und Weise, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das ist vor allem bei Böden der Fall, die verdichtet oder weggebaggert werden im Zuge von Bauprojekten oder anderen Nutzungsformen und die versiegelt werden, sodass zum Beispiel kein Wasser- oder Luftaustausch mehr möglich ist, wie bei Betonflächen. „Haupttatort“ sind besonders dezentrale Standorte nahe an Verdichtungsräumen, den Stadtgebieten.

Wieso wird so viel Fläche verbraucht?

Der Flächenverbrauch wird trotz stagnierender Bevölkerungszahlen immer höher. Die Gründe sind einfach: Der einzelne Mensch beansprucht mehr Raum und Komfort als vor einigen Jahrzehnten. Wohnen, große Büros, Verkehrsnetz, Bildung, Unterhaltungs- und Freizeiträume wie Kinos, Geschäfte und Läden usw. führen zu einem flächenintensiven Lebensstil. Das bestätigt der Anstieg individueller Wohnfläche von etwa 15 auf ca. 46 Quadratmeter zwischen 1960 und heute. An Verkehrsfläche sind der Durchschnittsperson sogar 224 Quadratmeter zuzuschreiben. Wie diese hohe Zahl zustande kommt: Wer an den Stadtrand zieht, braucht dort Infrastruktur; technische für Wasser, Abwasser, Strom etc. ebenso wie soziale (Kindergärten, Schulen, Spielplätze, usw.). Dazu kommt, dass auch durch den zunehmenden Fokus auf erneuerbare Energien landwirtschaftlich genutzte Bodenfläche abnimmt und der Bewirtschaftungsdruck auf kostbare Böden wächst.

Die Bedeutung versiegelter Böden

Ein versiegelter Boden ist durch Menschenhand derart verändert worden, dass er nun völlig luft- und wasserdicht ist. Das passiert durch Beton und Asphalt, Pflastersteine und andere wassergebundene Materialien. Regenwasser kann dann z. B. nicht mehr versickern, was Überschwemmungen begünstigt. Bodenwasser kann nicht verdunsten und Luft und Umgebung kühlen, auch ist dieser Boden ungeeignet für jede Art von Pflanzen, die ebenso Wasser verdunsten oder Schatten spenden könnten – ein bekanntes Problem in aufgeheizten Großstädten.

„Grenzerfahrung“ – Ein Blick hinter die Kulissen

Auch der Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre wird unmöglich. In Kombination bedeutet all das: Die betroffene Fläche wird, abgeschnitten von ihrem Ökosystem, komplett unfruchtbar, die Bodenfauna stirbt ab. Von Erhalt ganz zu schweigen: Auch eine eventuelle spätere Neubildung von fruchtbarem Boden wird nahezu unmöglich, denn Bodenversiegelung ist nur schwer, nicht vollständig und auch nur unter hohen Kosten teilweise wieder rückgängig zu machen. Betonstücke, Kunststoffteile und natürlich verschiedene Schadstoffe: Überreste bleiben stets zurück. Einmal bebaute Flächen sind somit der Nahrungsmittelproduktion dauerhaft entzogen. Die Tier- und Pflanzenwelt wird immer mehr verdrängt, weitläufige Flächen und Ökosysteme werden immer seltener, was Arten- und genetischen Austausch erschwert und langfristig zerstört.

Der Plan: Flächenverbrauch hinterfragen, Boden als Ressource schonen

Das Bundesumweltministerium hat nun ein Konzept für Flächenzertifikate ausgearbeitet, das einen sparsameren und bewussteren Umgang mit Bodenfläche durchsetzen soll. Damit würde jede Gemeinde und Stadt aufgerechnet auf ihre Größe eine bestimmte Anzahl an Bodenzertifikaten bekommen. Um Bauland auszuweisen, müssen sie dann ausgegeben werden; jeder kann also nur mit einem gewissen Flächenvolumen hantieren und muss haushalten. Bei Mangel oder Überfluss können Zertifikate von andernorts zu- und verkauft werden. So will der Bund künftig genauer bestimmen und kontrollieren, wie viel freie Fläche pro Jahr in Baugrund umgewandelt wird. Bleibt zu hoffen, dass der Plan aufgeht – von den angestrebten 30 Hektar täglich ist man schließlich noch weit entfernt.