VON MAXIMILIAN REICHLIN | 29.11.2015 13:32

Open Educational Resources sind vorerst noch kein Teil deutscher Bildungspolitik

Jüngste Erhebungen zeigen, dass sogenannte Open Educational Resources (OER) mittlerweile in allen deutschen Bundesländern auf der politischen Agenda stehen. Trotzdem stehen klare Strategien zur Nutzung von OER im Bildungsalltag noch aus. Probleme bei der Schaffung einer funktionierenden Infrastruktur sowie im finanziellen Bereich hemmen aktuell noch die Entwicklung. Dabei könnten OER die Bildung in Deutschland und auf der ganzen Welt qualitativ verbessern.

Eine Studie der Stiftung Technik Berlin zu Entwicklungsstand und Perspektiven von Open Educational Resources (OER) hat ergeben, dass die deutsche Bildungspolitik einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Alle Bundesländer haben im Vergleich zum vergangenen Jahr 2014 ihre Aktivitäten in diesem Bereich deutlich erhöht. Es wird vermehrt über OER informiert, Lehrende werden weitergebildet und auch die Zahl kostenlos zugänglicher Lehrmaterialien ist gestiegen. OER scheinen mittlerweile in der Mitte der bildungspolitischen Debatte angelangt zu sein.

Warum OER und was ist das eigentlich genau?

Das war nicht immer so. Noch im Jahr 2012 war das bildungspolitische Interesse an OER in Deutschland eher verhalten.Man machte sich vor allem Sorgen um die Qualitätssicherung und die immensen Kosten von OER-Projekten. Eine der großen Fragen war: Können freie Unterrichtsmaterialien überhaupt den qualitativen Standard erreichen, den ein kommerzielles Schulbuch hat? Diese Sorgen konnten bis heute nicht ganz aus dem Weg geschafft werden, weswegen es wohl, trotz der aktuell gestiegenen Dynamik, noch einige Zeit dauern wird, bis OER in Deutschland zu einem anerkannten Teil der Bildungslandschaft werden.

Der Begriff Open Educational Resources bezeichnet im Allgemeinen Unterrichtsmaterialien, die unter einer freien Lizenz, beispielsweise einer CC-Lizenz (Creative Commons) veröffentlicht werden, größtenteils via Internet. Das können Lehrbücher sein, Papers zu Kursen, Podcasts, Videoaufzeichnungen von Vorlesungen, interaktive Lernspiele, und so weiter. Als OER sollen solche Materialien kostenlos öffentlich gemacht werden. Das Besondere: Je nach Lizenz können solche Ressourcen auch im Nachhinein noch verändert, erweitert oder redigiert werden. Zum Beispiel, indem man sie in andere Sprachen übersetzt, thematisch zusammenfügt oder nur in Auszügen verwendet.

Meutert die Lernfabriken

Lehre soll verbessert werden – USA und Niederlande machen vor, wie es geht

Das Ziel einer solchen freien Veröffentlichung ist die erhöhte Qualität der Lehre. Und das in zweierlei Hinsicht: Erstens sollen durch den freien Zugang nicht nur diejenigen von den OER profitieren, die sie sich leisten können oder an einer bestimmten Universität studieren, sondern alle, überall und jederzeit. Der Zugang zu Bildung wird dadurch erweitert. Zweitens soll durch die Mitarbeit verschiedener Akteurinnen und Akteure, die die OER je nach Bedarf verändern oder kombinieren, die Qualität der Materialien an sich steigen.

Die Vereinigten Staaten gehen hier mit gutem Beispiel voran. So machen Eliteuniversitäten wie Harvard, Princeton, Yale oder das MIT bereits ganze Kurse online zugänglich. Auch in den Niederlanden sind OER bereits fester Teil des Bildungsalltags. Seit 2008 läuft dort das Programm Wikiwijs, das es sich zum Ziel gesetzt hat, OER zum festen Bestandteil aller Bildungsbereiche zu machen. Mehrere Tausend Lehrerinnen und Lehrer greifen aktuell regelmäßig auf das Portal zu, Tendenz steigend. Das Projekt gilt mittlerweile als inoffizieller Vorreiter der OER-Bewegung.

Entwicklung in Deutschland noch schleppend

In Deutschland verläuft die Entwicklung ein wenig schleppender. Zwar gibt es auch hier bereits frei zugängliche Materialien sowie Bemühungen, die Medienkompetenz der Lehrenden zu fördern. Von einer Einbindung von OER in Schul- oder Universitätsbetrieb sind wir aber noch weit entfernt. Zum Einen fehlt es bislang noch an einer stabilen Infrastruktur mit einer zentralen Anlaufstelle à la Wikiwijs. So sind Deutschsprachige OER im Netz nur auf Sammellinkseiten oder mit speziellen Suchmaschinen, zum Beispiel Elixier, zu finden. Ein weiteres Hindernis sind die Kosten.

Einzelne Projekte und Initiativen laufen aber bereits und hatten in der Vergangenheit einigen Erfolg. So zum Beispiel das 2013 abgeschlossene Projekt „Schulbuch-O-Mat“, ein Biologie-Lehrbuch für die 7. und 8. Jahrgangsstufe. Die Finanzierung des rund 10.000 Euro teuren OER-Projekts war damals durch Croudfunding unterstützt worden. Es dürfte mitverantwortlich sein für das steigende bildungspolitische Interesse an OER, das wir heute verzeichnen können. Nichts desto trotz wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis wir wirklich verwertbare Ergebnisse sehen werden.