VON DAVID SEITZ | 20.04.2012 10:08

Panne reiht sich an Panne: Die Problemgeburt des neuen Zulassungssystems

Es soll eine Revolution des Zulassungssystems werden, ein Aushängeschild für das deutsche Hochschulsystem: Das geplante neue Online-Zulassungssystem soll Uni-Bewerbungen zentralisieren und vereinfachen und zudem verhindern, dass wiederholt zehntausende Studienplätze durch administrative Mängel kurzzeitig oder dauerhaft unbesetzt bleiben. Doch immer wieder muss die Stiftung für Hochschulzulassung den Start des neuen Wundersystems verschieben. Aus Zweifeln werden nun Vorwürfe.

Statt für einen reibungsloseren Start ins Uni-Leben zu sorgen, wirft das System derzeit immer mehr neue Fragen auf. "Darunter leiden vor allem die Abiturienten," sagte Ursulla Nelles, Rektorin der Uni Münster gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Demnach lägen die aktuellen Probleme hauptsächlich bei der Verknüpfung der alten EDV-Systeme mit dem neuen zentralen Zulassungssystem. Bereits seit drei Jahren arbeiten IT-Experten des staatlichen Hochschul-Informations-Systems (HIS) an der Entwicklung des neuen Systems. Auf vollmündigen Ankündigungen folgte jedoch eine Reihe von Pannen und technischen Problemen, der Einführungsstart verschob sich seither immer weiter nach hinten.

Gute Idee, problematische Durchführung

Dabei wäre eine kleine Revolution des alten Systems, bekannt als ZVS (Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen), so dringend nötig. Denn bisher bewarben sich viele Studierende an dutzenden Unis gleichzeitig, um einen sicheren Platz zu ergattern. Aus verschiedenen Zusagen wählten sie eine aus, ohne die anderen abzusagen. Das Problem: Plätze blieben bis zum Vorlesungsstart reserviert, Nachrückverfahren begannen dadurch erst spät, Studienplätze konnten erst mit Verspätung vergeben werden oder blieben gar unbesetzt.

Das neue, zentrale Zulassungssystem soll die Flut an Bewerbern über eine einzige Internetplattform an alle Universitäten Deutschlands führen – sofern alle Unis mitmachen. In Echtzeit soll das System die Vermittlung aller Studenten unter Berücksichtigung ihrer Wunsch-Hochschulen übernehmen. Online kann der Bewerbungsstatus abgerufen werden, erfolgt die Zusage an einer Universität, werden die übrigen Bewerbungen hinfällig – und einer neuer Platz frei. Die Theorie klingt vielversprechend, die Seite existiert bereits, bewerben kann sich bisher jedoch nur, wer medizinische Fächer oder Pharmazie studieren will. Mittlerweile hat die Stiftung für Hochschulzulassung einen Pilotbetrieb des Systems angekündigt, doch vielen Hochschulen scheint der Glaube an das System abhanden gekommen zu sein. Nach Angaben von ZEIT Online werden maximal zwanzig Hochschulen teilnehmen - ein Probelauf unter Realbedingungen sieht anders aus. Fachhochschulen erwägen offenbar den kollektiven Austritt als Folge der anderenden Probleme.

Start erneut verschoben

Glaubt man diversen Medienberichten, liegt das Problem für das Chaos zum Systemstart im zwanghaften Beibehalten aller Abhängigkeits-Muster und Institutionen. Die ZVS, langjähriger Knotenpunkt der Platzvergabe, soll nun die Administration über das neue System übernehmen – scheint der Aufgabe jedoch nicht gewachsen. Das HIS ist offenbar nicht in der Lage eine Softwarelösung bereitzustellen, die für alle Unis gleichermaßen kompatibel wäre. Und doch wollte die Stiftung für Hochschulzulassung lange Zeit keine anderen, privaten Anbieter in Erwägung ziehen. Erst jetzt - wo verwirrte Abiturienten, besorgte Politiker und kritisierende Journalisten für Druck sorgen – zeichnet sich ein Kurswechsel ab: Man wolle eine "Markterkundung" durchführen hieß es von Seiten der Stiftung.

Langsam drängt sich dabei die Frage auf, ob es sich überhaupt noch lohnt, zusätzliche Millionen in ein System zu investieren, das von einer Bürokratieblockade gebremst wird. Denn: Abseits dieser Baustelle verlief die Studienplatzuvergabe an deutschen Universitäten 2011, mit Doppel-Abiturjahrgang und Rekordzahlen, überraschend problemlos ab.