VON CLEMENS POKORNY | 09.10.2013 15:45

Verbraucherbildung an Schulen

Zum Verbraucher wird man nicht ausgebildet, aber wir alle konsumieren und sollten das bewusst und informiert tun. Keine schlechte Idee also, Verbraucherbildung an Schulen zu etablieren: Themen wie Ernährung und Gesundheit, Medien, Finanzen und Verbraucherrecht kommen in den Lehrplänen tendenziell deutlich zu kurz. Den Vorschlag, Unternehmen künftig länderübergreifend als Partner der Schulen bei der Verbraucherbildung einzusetzen, stößt aber auf deutliche Kritik.

Werbung für private Unternehmen ist an deutschen Schulen verboten – zumindest, sofern der pädagogische Auftrag der Schule dadurch gefährdet wird. Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) hat jüngst unterstrichen, dass das auch so bleiben soll. Doch ihr Beschluss zur Stärkung der Verbraucherbildung an Schulen vom 12. September 2013, demgemäß auch Unternehmen in die Erziehung der Schüler zu mündigen Verbrauchern eingebunden werden sollen, lässt diese Bekräftigung fragwürdig erscheinen.

Bildung in der Krise?

Unter dem Punkt „3. Umsetzung in der Schule“ heißt es darin: „Die Verbraucherbildung kann in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern (z. B. [...] Unternehmen) erfolgen.“ Unter „1.2 Allgemeine Grundsätze“ fixiert das gleiche Papier aber, es sei darauf zu achten, dass Verbraucherbildung an Schulen „frei von wirtschaftlichen Interessen ist und unternehmensunabhängig den Erwerb der Kompetenzen ermöglicht, die für das Treffen von kritisch reflektierten und selbstbestimmten Marktentscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher erforderlich sind.“ Wie das zusammenpasst, kann sich die NRO Foodwatch e.V. nicht erklären und hat die KMK aufgefordert, den fraglichen Passus zu streichen. Foodwatch-Expertin Anne Markwardt dazu: „Unternehmen, die Bildung finanzieren, wollen dafür eine Gegenleistung. Entweder ist das die Möglichkeit ‚zielgruppenadäquater‘ Werbung im Klassenraum. Oder aber es sind politische Gefallen, namentlich weniger Regulierung – denn ‚Partner‘ reguliert man nicht so leicht.“ Wann immer unternehmerische „Partner“ als solche auftreten, könne Unterricht mit deren Materialien per definitionem nicht unternehmensunabhängig sein. Ihre Repräsentation an Schulen als staatlichen Institutionen adelt die betroffenen Firmen und gibt den in der Lebensmittelbranche Angesiedelten unter ihnen die Möglichkeit, ihr nach Auffassung von Foodwatch „falsches Bild von gesunder Ernährung“ zu propagieren.

Die Unternehmen sehen das naturgemäß ganz anders. Mit dem gemeinsam vom Land Nordrhein-Westfalen und der Wirtschaft finanzierten Portal „Partner für Schule NRW“ beispielsweise soll die „dauerhafte und systematische Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft“ ausdrücklich gefördert werden. „Durch Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Veranstaltungen und Kongresse tragen wir gezielt zur Imagebildung Ihres Unternehmens bei.“ Als Antwort auf die FAQ „Warum lohnt es sich für ein Unternehmen, sich im Schulbereich zu engagieren?“ heißt es dort: „Mit einem Engagement im Schulbereich dokumentieren Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung. Darüber hinaus ergeben sich konkrete Vorteile für die Unternehmen durch eine zielgruppenadäquate Kommunikationsstrategie [...]“. So demaskiert diese Public Private Partnership ihre eigenen Phrasen vom angeblich relevanten Unterschied zwischen Werbung und Sponsoring oder der „gesellschaftlichen Verantwortung“ von Unternehmen und räumt ein, dass es letztlich nur um Geld geht. Schulen brauchen Geld von Unternehmen? Armes Deutschland.

Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen können bestenfalls dem Fachkräftemangel abhelfen. Werbung oder Sponsoring im Angesicht einer noch heranreifenden „Zielgruppe“ verbieten sich aber eigentlich von selbst. Das Beispiel NRW zeigt, dass die Forderung von Foodwatch nicht ausreicht, da Werbung an Schulen schon lange vor deren indirekter Bekräftigung durch die KMK gang und gäbe war. Verbraucherbildung, insbesondere im Hinblick auf nachhaltigen Konsum, sollte in Zeiten, da ein Lebensmittelskandal den nächsten jagt, die globale Wirtschaft als ein komplexes Ganzes begriffen werden muss und die Prognosen der Klimaforscher ständig zum Negativen hin korrigiert werden, selbstverständlicher Lehr-Lerninhalt verschiedener Fächer sein.