VON CHARLOTTE MEYER | 04.11.2015 15:35

„Individueller Nutzenmaximierer“ versus soziale Wesen – zum Prinzip der Commons

Was haben Wikipedia, Alpweiden und Löschteiche gemeinsam? Sie sind keine naturgegebenen Wunder, sondern sie alle sind Commons. Im deutschsprachigen Bereich traditionell als Allmende oder Gemeingüter bezeichnet, werden sie als wirtschaftliche Alternative zu Konkurrenz und Wettbewerb diskutiert. Das Prinzip der Commons ist dabei zwar innovativ, aber im Grunde schon steinalt. Was es bedeutet und wer von Commons-Experten gerne zitiert wird, schildert UNI.DE.



Innovativ, aber schon uralt

Commons – das klingt innovativ und irgendwie nicht nach Mainstream. Dennoch sind sie ein Phänomen, das eigentlich schon sehr alt ist und auch in unserer heutigen Gesellschaft existiert. Im Deutschen gibt es die etwas altmodische Bezeichnung „Allmende“, die im Großen und Ganzen das Prinzip der Commons verkörpert. Dieses Wort geht zurück auf Gemeineigentum in Dörfern des Hochmittelalters. Allmenden waren hier zum Beispiel Heiden und Moore, die als Weide und zur Torfgewinnung gemeinschaftlich genutzt wurden. Heute gibt es solche Commons in Europa vor allem in der Alpenregion bei Almweiden. Hier können Landwirte je nach Nutzungsregeln ihr Vieh gemeinschaftlich weiden lassen. Auch bei Löschteichen oder Sportplätzen etwa wird dieses Prinzip angewandt. Das klingt alles ein wenig so, als ob Commons hauptsächlich Dörfer und ländliche Regionen betreffen würden.

Mit weniger mehr erreichen – zur Notwendigkeit von Suffizienz

Ressource, Gruppe, Regelwerk

Allerdings geht es in vielen Debatten zu den Commons um den übertragenden Sinn und das Prinzip des Gemeinguts. Denn schließlich sollen Commons nicht nur in der Alpenregion funktionieren, sondern vor allem seit der Finanzkrise eine reale Alternative zu Marktlogik und ökonomischem Denken sein. Dabei wird es schnell abstrakt. Generell bestehen Allmenden aus drei Bausteinen: Einer Ressource, einer Gruppe, die diese Ressource in Anspruch nimmt und einem Regelwerk für den Umgang mit der Ressource. Diese muss für alle Gruppenmitglieder zugänglich sein. Für die Gemeingüterexpertin Silke Helfrich sind das zum Beispiel Wasser, Land oder Luft, aber auch Software-Codes oder genetische Codes.

Gemeinschaften gegen Interessensgruppen

Die Commons-Logik stellt sich dabei insgesamt gegen den Wachstumsanspruch des Marktes. Helfrich stellt so „Commons-Logik“ und „Marktlogik“ gegenüber und vergleicht Machtverhältnisse, Praxis und Einflussträger. Konkret heißt das: Zentralisierung versus Dezentralisierung, Konkurrenz auf der einen und Kooperation auf der anderen Seite und „institutionale Politik“ gegenüber Gemeinschaften und ihren Netzwerken. Während der Markt nur daran interessiert ist, was sich verkaufen lässt, fragt man gemäß Commons-Logik: Was wird zum Leben gebraucht? Der Mensch steht hier im Fokus als kooperationsfähiges, soziales Wesen und nicht als „individueller Nutzenmaximierer“. Es soll nicht darum gehen, Ressourcen so effizient wie möglich zuzuteilen, sondern um die Gestaltung der Sozialbeziehungen. In dem taz-Interview von 2010 schließt Silke Helfrich mit folgenden Worten: „Erst wenn sich die anderen entfalten, wird meine Selbstentfaltung ermöglicht.“ Diese Sicht ist dabei nicht neu – Karl Marx und Friedrich Engels schrieben genau das in der „Deutschen Ideologie“ bereits 1845.