VON CHARLOTTE MEYER
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08.03.2016 13:38
Ein Paradies für Freigeister – der Studiengang „Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“
„Du siehst, warum die freien Künste so genannt werden: Weil sie eines freien Menschen würdig sind“ – das schrieb Seneca und meinte damit Menschen, die nicht zum Broterwerb arbeiten mussten. Heißt das, dass nur die Studiengänge, die nicht konkret auf den Broterwerb ausgerichtet sind, freie Geister nähren? Die meisten geisteswissenschaftlichen Studiengänge sind das ohnehin nicht, doch gibt es auch dort in der Regel Vorgaben, die einzuhalten sind. Der Studiengang „Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“ an der Alanus Hochschule versucht, den Studierenden größtmöglichen Freiraum zu lassen, um sich selbst zu entfalten. Das wichtigste sind hier nämlich nicht die Karrieren ihrer Absolvierten, sondern deren persönliche Entwicklung. Welche staatlichen Unis ähnliche Ansätze haben, was man am Ende dann doch mit so einem Studium machen kann und wo der Name Alanus herkommt, haben wir für euch nachrecherchiert.
Die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn hat bisher eine kurze Geschichte. Sie entstand 1969 aus einem gemeinnützigen Verein heraus und wurde 2002 staatlich anerkannt. An dieser Hochschule fällt als allererstes ihre ungewöhnliche Kombination an Studiengängen auf. Als eine private Kunsthochschule bietet sie unter anderem Architektur-, Malerei- und Bildhauerei-Studiengänge an, aber auch Bachelor- und Masterstudiengänge für Eurythmie und Betriebswirtschaftslehre. Tatsächlich kann man schon am Namen der Hochschule erkennen, dass sie in anthroposophischer Tradition steht. Alanus ab Insulis, ein Gelehrter aus dem 12. Jahrhundert, war nämlich ein Vorbild Rudolf Steiners, des Begründers der Anthroposophie. Das ist eine esoterische Weltanschauung, die die Evolution des Menschen als spirituelle Entwicklung sieht. So beruft sich die Hochschule auf den Grundsatz des Alanus, der für sein enzyklopädisches Wissen bekannt war: Studieren ist „die Bildung des Menschen zum Menschen durch Interdisziplinarität“. Deswegen wird hier neben Fachstudien ein kultur- und geisteswissenschaftliches Studium Generale angeboten. Auch interdisziplinäre Projekte sollen Dialoge zwischen den Fächern möglich machen.
„Intensive ästhetische Erfahrung“ und verantwortliches wirtschaftliches Handeln
Vor diesem Hintergrund muss man sich auch den englisch- und deutschsprachigen Studiengang „Philosophie, Kunst und Gesellschaft“ oder „Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“ vorstellen. Er steht sozusagen stellvertretend für alle Bildungsideen der Alanus-Hochschule: Die Studierenden arbeiten zum einen an philosophischen und kulturwissenschaftlichen Themen und können sich aber auch zum anderen „intensiven ästhetischen Erfahrungen durch Kunstpraxis und Kunstwissenschaft“ widmen. Doch sollen die Studierenden dabei nicht abheben und am Boden bleiben. Dafür sind dann die sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Seminare und Vorlesungen da. Sie sollen die Brücke zwischen kulturellem und verantwortlichem wirtschaftlichem Handeln schlagen.
Survival of the fittest?
Über die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre. Können dabei auch Begriffe wie Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Erfüllung und Vertrauen im Mittelpunkt stehen?
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Die Studis müssen ihren Schwerpunkt in diesem Studiengang nicht sofort wählen, sondern finden ihn allmählich. Für die weitere Vertiefung sind dann die weiterbildenden Masterstudiengänge gedacht. Das wichtigste bei diesem Studium ist es, die eigenen individuellen Interessen zu entdecken und auszubauen. Auf dem
Alanus-Blog werden die Möglichkeiten nach diesem Studium eher vage gehalten: „in Zeiten von Globalisierung, Nachhaltigkeit, Diversität, Politikgestaltung, Entrepreneurship und soziokultureller Arbeit“ lernen die Studierenden, bestehen zu können und an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Konkreter wird es auf den
Seiten der Hochschule: Der Bachelor bringt Studierenden Eigeninitiative und Kreativität bei und bereitet sie auf Berufsfelder in der Bildungsforschung, in politischen Organisationen, im Journalismus oder in Wirtschaftsunternehmen und weiteren Richtungen vor.
Von diesen Studienbedingungen, in denen das allerwichtigste die Selbstentfaltung ist, können zweckgeplagte Studierende nur träumen. Sie kosten allerdings auch ein bisschen. Die private Hochschule, die von
anthroposophisch ausgerichteten Unternehmen wie Weleda, Alnatura und GLS Treuhand gefördert wird, stellt den Studierenden von „Philosophie, Kunst und Gesellschaft“
pro Semester 1.926 Euro in Rechnung. Für Betriebswirtschaft fallen hier sogar über 4.000 Euro an – ohne Semesterticket und Immatrikulationsgebühren.
Studium Individuale an staatlichen Unis
Interdisziplinäre Ansätze und eigenständige Projektarbeit sind in vielen Studiengängen an staatlichen Unis – wo die Ausbildung nicht so teuer ist - schon an der Tagesordnung. Dieses speziell anthroposophische Format wird man allerdings wohl kaum finden. In
Lüneburg und
Freiburg jedoch gibt es ähnliche Ansätze für eine individualistische, freie Ausbildung. Die Studiengänge beider Hochschulen orientieren sich – ähnlich wie die Alanus Hochschule – am Konzept der Liberal Arts Education oder auf Deutsch – der Sieben Freien Künste. An der
Leuphana Universität Lüneburg steht im Zentrum des Bachelors „
Studium Individuale“ die intellektuelle und persönliche Entwicklung der Studierenden. Es gibt frei wählbare Module und verpflichtende Kernmodule mit interdisziplinären Seminaren, in denen es um Fragen über das Verstehen der gegenwärtigen Welt und auch über das Handeln in ihr geht. Frei wählbare Module können aus allen Bereichen gewählt werden, die das
Leuphana College der Uni Lüneburg anbietet. So zum Beispiel Industrietechnik, Politikwissenschaft oder Popular Music Studies. Das Berufsfeld, in dem die Absolvierten dann mal landen, bestimmen sie so nach ihrer eigenen Prägung selbst. Ganz ohne Broterwerb kommt man ja auch nicht aus.