VON JANA NOSSIN | 24.05.2016 15:06

Mehr als einfach nur ein „passt schon“ - die UNESCO-Erklärung von Prinzipien der Toleranz

„Entschlossen, alle positiven Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um den Gedanken der Toleranz in unsern Gesellschaften zu verbreiten […].“ beginnt die „Erklärung von Prinzipien der Toleranz“. Verabschiedet wurde diese 1995 durch die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) in Paris.


Wo wir im Alltag ganz selbstverständlich von und über Toleranz sprechen, uns gegenüber anderen tolerant zeigen und dieses Attribut auch gerne zu unseren charakterlichen Eigenschaften zählen, wo wir bestenfalls - sogar dann, wenn unsere Meinungen, Interessen, Vorlieben und Glaubenssätze auf völlig konträre Gegenpole treffen - ein etwas gedämpftes „passt schon“ murmeln, sind wir tolerant.
… Oder?

Was Toleranz genau bedeutet, das haben wir uns so gesehen eigentlich noch nie gefragt. Muss man wirklich alles akzeptieren, ertragen, dulden, was nicht den eigenen Vorstellungen und Werten entspricht, um tolerant zu sein? Wo beginnt Toleranz und wo hört sie auf? Was ist Toleranz? Und was ist sie nicht? Toleranz bezieht sich in der Regel auf Andersartigkeit, auf Vielfalt, auf die verschiedenen Ausdrucks- und auch Glaubensformen und auf mannigfache Verhaltensweisen unserer menschlichen Gegenüber. Dass Toleranz nicht nur im Alltagsleben, in Partnerschaften, Freundschaften, in den Familien und am Arbeitsplatz wichtig ist, erahnen wir an dieser Stelle bereits. Denn wo Intoleranz über die obligatorisch nicht verschlossene Zahnpasta-Tube vermag, eine Ehe ins Wanken zu bringen, so wird Intoleranz zwischen Gemeinschaften und Nationen – wir wollen es uns gar nicht ausmalen - viel schlimmere Ausmaße annehmen können. Und so lesen wir auch in den besagten Prinzipien der UNESCO über Toleranz, dass diese eine Tugend sei, die den Frieden ermögliche und dazu beitrage, den Kult des Krieges durch eine Kultur des Friedens zu überwinden.

Idealzustand Weltfrieden?

Mit ihren derzeit 195 Mitgliedstaaten setzt sie sich die UNESCO „durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit“ und ferner auch für kulturelle Vielfallt und Toleranz ein. Und so definiert sie in ihrer Erklärung die weitreichende Bedeutung von Toleranz, dimensioniert ihre sozialen Aspekte und erklärt sie als eine wichtige Voraussetzung für Frieden sowie für wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Völker. In den vergangen 60 Jahren hat die UNESCO zahlreiche Vereinbarungen, insbesondere für Menschenrechte und Frieden, getroffen. Und auch mit den „Prinzipien der Toleranz“ möchte sie diese Gedanken weltweit aktiv verbreiten. Ein wichtiges Augenmerk legt die Erklärung daher auf den Zusammenhang von Bildung / Erziehung und Toleranz und verpflichtet sich gleichsam, Toleranz und Gewaltlosigkeit durch wissenschaftliche und kulturelle sowie Bildungs- und Kommunikationsmaßnahmen zu fördern, um Menschen die Fähigkeiten zu vermitteln, unabhängig zu werten, kritisch zu denken und moralisch zu urteilen.

Toleranz sei nämlich nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Sie sei vor allem eine aktive Einstellung, die sich auf die Anerkennung der allgemeingültigen Menschenrechte und Grundfreiheiten anderer stützte. Weder das Tolerieren sozialen Unrechts, noch die Aufgabe oder Schwächung der eigenen Überzeugung komme der Idee von Toleranz gleich. Vielmehr bedeute sie für jeden einzelnen, Freiheit der Wahl seiner Überzeugungen, aber gleichzeitig auch Anerkennung der gleichen Wahlfreiheit für die anderen.

„Toleranz beginnt da, wo Verständnis aufhört.“ lehrt uns ein bekannter Sinnspruch. Die UNESCO beschreibt Toleranz treffend als „Harmonie über Unterschiede hinweg“. Und so gewinnt die Bedeutung von Toleranz in diesem Kontext doch mehr als ein bloßes Akzeptieren, Hinnehmen und Erdulden, sondern charakterisiert viel mehr Friedsamkeit, Geduld und Behutsamkeit, also einen bedachten Umgang mit dem, was in uns Toleranz erfordert. Und auch der Leitgedanken der UNESCO spielgelt diese Sichtweise wieder: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“