VON NORA GRAF | 18.03.2015 13:16

Die Smart City: Durchdachtes Konzept oder doch nur wieder „1984“?

Die Stadt der Zukunft ist klug und weiß, wie sie ihre Bevölkerung zu versorgen und ihre alltäglichen Wege sicher zu lenken hat. Der Gedanke liegt auch nicht fern, dabei an Nachhaltigkeit zu denken. Doch was beinhaltet dieses Konzept genau?


Das Ziel der Smart-City-Bestrebungen ist es, Städte zu optimieren und in jeglicher Hinsicht effizienter zu machen. Aus Sicht von Fachleuten aus Stadtverwaltungen, Technik und Politik ist es notwendig auf die modernen beziehungsweise postindustriellen Herausforderungen, vor denen insbesondere die Städte stehen, anhand moderner Technologien zu reagieren. Die bekannten Herausforderungen sind vor allem die Umweltverschmutzung, der demografische Wandel, Bevölkerungswachstum, Finanzkrise und der Mangel an Ressourcen. Rettung erhofft man sich von der Technologie und den Daten, die von den technischen Hilfsmitteln erhoben werden.

Orwellsche Medizin à la „1984“?

Klingt gut,....

In erster Linie soll die intelligente Stadt nachhaltig wirtschaften und dadurch Ressourcen sparen. Und damit sind nicht nur Rohstoffe gemeint, sondern jegliche Art von Ressourcen, von finanziellen über humane bis hin zu physischen. Wichtig ist dabei, die gesamte Infrastruktur einer Stadt mithilfe technologiebasierter Mittel zu verbessern. Eine Smart City besteht also unter anderem aus Smart Economy und Environment, aus Smart Governance und eben auch aus Smart People. Und damit wir alle die Stadt intelligenter machen können, brauchen wir zuerst einmal Daten – und zwar eine riesige Menge an Daten (sogenannte Big Data). Und dafür wiederum benötigt man Messgeräte wie Kameras oder Sensoren.

Doch wie erhält man diese Flut an Daten, um sie zum Besseren hin auszuwerten? In New York zum Beispiel kam das Mayor Office of Data Analytics auf eine einfache Idee: Die Bevölkerung selbst sollte sich überwachen und Kameras oder Smartphones aus dem Fenster auf die Straße ausrichten und so den Verkehrsstrom messen – und monatlich 50 Dollar pro Person dafür kassieren. Die Stadt Chicago zum Beispiel hat in einer Kooperation mit den Unternehmen Casco und IBM acht Sensoren in Straßenlaternen eingesetzt, um Licht, Lärm, Luftqualität und Wärme zu messen. Überdies können die Sensoren auch Bluetooth-Signale von Smartphones aufnehmen - all diese Daten sollen die Lebensqualität der Bevölkerung grundlegend verbessern.

…..oder?

Die Theorie klingt vielversprechend. Die Praxis jedoch birgt für so manche kritischen Stimmen einige Gefahrenpotenziale. Denn was für Schindluder mit einem massenhaften Abgreifen von Daten getrieben werden kann, hat man an den Snowden-Enthüllungen drastisch gesehen. Im Moment können die Menschen noch weitestgehend selbst entscheiden, was sie im Internet preis geben. Doch in Zukunft werden wohl immer mehr „intelligente Gegenstände“ Informationen senden und empfangen wie es zum Beispiel das iPhone jetzt bereits mit Bewegungsdaten tut. Verbraucher müssten künftig sogar Schuhen oder Pullovern verbieten, sich mit sozialen Netzwerken wie Facebook zu verbinden, so der Autor und Informationsarchitekt Adam Greenfield. Überdies ist das Smart-City-Konzept für Greenfield „ein Markt, auf dem Technologiekonzerne ihre Produkte und Dienste verkaufen können.“ Und das meist ohne die Mitwirkung der Stadtbevölkerung, der Smart People, die ein elementarer Bestandteil der klugen Stadt sind. Es gehe also in erster Linie um die Interessen der Wirtschaft, die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger sei nur Nebensache.

Aufhalten lässt sich diese Entwicklung wohl nicht mehr. Greenfield ist überzeugt, dass schrittweise jedes Kleidungsstück, jeder Laternenpfahl und jede Hausfassade an das Internet angeschlossen sein werden. Es gibt eine US-amerikanische Firma, die schon jetzt Werbetafeln vertreibt, die die Gesichter von Personen scannen. Vielleicht herrscht in ferner Zukunft ein karnevalesker Zustand in den Städten, in denen sich die Bevölkerung mit Masken vor der Totalüberwachung schützt.