VON NORA GRAF | 26.11.2015 15:40

Saatgutarchive und die Privatisierung von Saatgut

Innerhalb der letzten Jahre ist die Zahl von Saatgutarchiven rasch angestiegen. In solchen Archiven werden tausende Sorten an Saatgut gesammelt, die im Handel kaum noch zu finden sind. In den USA zum Beispiel gibt es heutzutage 300 „seed libraries“. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 gab es dort erst etwa ein dutzend Archive. Eigentlich keine große Sache, gelten doch Samen als allgemeine Rohstoffe, die die Grundlage allen Lebens bilden und somit auch jedem verfügbar sein sollten.

Die rasante Vermehrung von Saatarchiven ist kein Zufall, sondern hat direkt mit der zunehmenden Privatisierung der Saatgutallmende zu tun. Die drei Agrarkonzerne Monsanto, DuPont und Syngenta dominieren mehr als 50% des Saatgutmarktes, eines Marktes, in dem die Teilhabe an dieser Ressourcen immer schwieriger wird. Doch traditionell funktioniert Landwirtschaft als geschlossenes System: Es wird ein Teil der Ernte aufgehoben, um dann wieder ausgesät zu werden, in stetigem Wechsel. Oftmals wurde das Saatgut noch vermehrt und mit dem Nachbarn ausgetauscht, um eine Vielfalt zu bewahren, die gerade die Ernährungssicherheit garantiert.

Mit der Entstehung landwirtschaftlicher Großbetriebe, ist dies vor allem in den Industrieländern jedoch nur noch sehr selten der Fall. Mittlerweile beherrschen transnationale Konzerne wie eben Monsanto den Markt. Mit zahlreichen Unternehmensankäufen und Fusionen, der Anwendung zahlreicher Patente und den rechtlichen Rahmenbedingungen konnten sie sowohl Konkurrenten vom Markt drängen als auch das Saatenangebot und die Preise massiv beeinflussen.

Evolution: Erfolg durch Vielfalt

Auf EU-Ebene dürfen mittlerweile nur mehr solche Sorten gehandelt werden, die auch von einer nationalen Behörde zugelassen sind. Um zugelassen zu werden, müssen die Sorten unterscheidbar, homogen und stabil sein – alles Eigenschaften, die auf Hochleistungssorten abzielen. Viele speziell auf die Region angepasste und auf Vielfalt beruhende Obst-, Gemüse, und Getreidesorten können diese einheitlichen Kriterien nicht aufweisen. Die Folgen sind fatal, nicht für die Landwirte, die dadurch von wenigen Großkonzernen abhängig sind, sondern auch für die Umwelt – es droht der Verlust von Biodiversität.

Einzige Ausnahme bildet im Moment altes, bäuerliches Saatgut. Es darf von Privatpersonen und Initiativen weitergegeben und getauscht werden. In Deutschland gibt es einige lokale Saatgutarchive wie zum Beispiel die Rheinische Gartenarche. Auch Privatpersonen verschreiben sich der Bewahrung der Allmenderessource, um sowohl die Unabhängigkeit der Bauern ein Stück weit zu erhalten, als auch um die Vielfalt der Sorten zu bewahren.

Nicht nur durch die Zulassungskriterien werden ökologisch wichtige aber wirtschaftlich unbedeutende Sorten benachteiligt. Sie dürfen auch nur in geringen Mengen vertrieben werden, was wiederum für viele Landwirte nicht sehr lukrativ ist. Das EU-Recht bevorteilt klar das sogenannte Hybridsaatgut. Diese aus Kreuzungen entstandenen Sorten versprechen zwar einen hohen Ertrag, können aber im folgenden Jahr nicht wieder vermehrt werden und sind überdies meist durch geistige Eigentumsrechte geschützt. Die Bauern müssen jede Saison neues Saatgut bei den Großunternehmen kaufen.

Doch auch die Saatgutarchive haben mittlerweile mit den wirtschaftlichen Herausforderung in diesem Bereich zu kämpfen. In Pennsylvania zum Beispiel erklärte das Landwirtschaftsministerium einem Saatgutarchiv, dass es das staatliche Sortenschutzgesetz verletze und drohte mit einer Schließung, es sei denn, es unterziehe seine Samen umfassenden Testverfahren. Obwohl diese Verfahren eigentlich nur kommerzielle Saatguthändler betreffen, versucht man auch in anderen Staaten so diese Sharing-Bewegung schon im Keim zu ersticken. Die Politik schiebt Verbraucherschutzinteressen vor, andere sprechen hingegen sogar von „Agri-Terrorismus“. In jedem Fall ist es ein weiterer Beweis dafür, wie die Politik den Interessen der Wirtschaft folgt. Wieder einmal zu Lasten der Bürger und der Umwelt.