VON JASCHA SCHULZ | 28.02.2015 22:35

Indoor Farming – Zukunft der Landwirtschaft oder Spielerei der modernen Technik?

Die Verstädterung nimmt zu, der Platz in den Großstädten wird geringer. In der Landwirtschaft wird deshalb nach Mitteln gesucht, Nahrungsmittel auf geringer Fläche möglichst effektiv zu produzieren. Indoor Farming wird von einigen Fachleuten als die erhoffte Lösung angesehen. Das Essen wird dabei mithilfe einer speziellen LED Beleuchtung in geschlossenen Räumen hergestellt. UNI.DE diskutiert, welche Chancen Indoor Farming in der Agrarindustrie hat und welche Rolle Privathaushalte künftig bei der Nahrungsmittelproduktion spielen könnten.


Wer Essen anbauen möchte, braucht Platz. Und gerade der ist in Japan kaum vorhanden. 128 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche, die mit 378.000 km² nur wenig größer ist als Deutschland. Erschwerend kommt hinzu, dass zwei Drittel des gebirgigen Landes mit schwer zugänglichem Bergwald bedeckt sind. Gerade einmal 14% der Landesfläche können deshalb nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung landwirtschaftlich genutzt werden. Mit einem neuartigen Anbauverfahren reagieren japanische Ballungsräume nun auf dieses Problem. Indoor Farming heißt das Konzept. Es verlegt den Nahrungsanbau – dem Namen entsprechend - nach drinnen. Die Beleuchtung durch spezielle LED Lampen sorgt für die nötige Energiezufuhr. Erde benötigen die Pflanzen nicht, da mit Wasser und Hydrokultur gearbeitet wird. Dünger und Wasserverbrauch werden somit gering gehalten. Ein weiterer Vorteil des Indoor Farmings ist die Vermeidung von Missernten. Witterungsumstände haben auf das Klima der Herstellungsräume keinen Einfluss.

Glowing Plants

Aus diesen Gründen eröffnete 2011 in der Miyagi Präfektur die bislang größte Indoor Farm. 10.000 Kopfsalate pro Tag werden hier auf einer Fläche von 25.000 m² hergestellt. Der Entwickler Shigeharu Shimamura benutzt dazu eine spezielle Form des Indoor Farming: Das Vertical Farming. Bei diesem wird der Anbau in mehreren Stockwerken betrieben, um möglichst viel Nutzfläche zur Verfügung zu haben.

Ist Indoor Farming jedoch auch für andere Länder als Alternative zur traditionellen Landwirtschaft interessant? Prognosen für das globale Bevölkerungswachstum scheinen dies zu bejahen. Denn dieses soll – je nachdem, welche Statistik Recht behält – bis Mitte oder Ende des Jahrhunderts auf 9-12 Milliarden Menschen anwachsen. Die Verstädterung soll dabei weiter zunehmen. Gerade in den sogenannten Mega Städten wird der Platz für landwirtschaftliche Nutzfläche knapp sein. Hier soll Indoor Farming aushelfen. Der Plan ist, dass auch Privathaushalte in den Städten ihr Essen teilweise selbst anbauen. Vom Hinterzimmer auf den Teller, sozusagen. Auf diese Weise sollen Transportkosten minimiert und die Umwelt geschont werden. Allerdings könnte die Anschaffung der Ausstattung für die Haushalte zum Problem werden. Denn der Preis für die LED Leuchten ist aufgrund der speziellen Anfertigung nicht unerheblich.

John Floros, Professor an der Kansas State University, ist sich sicher, dass Privathaushalte bereit sein werden, für die gute Qualität des Indoor Farm Essens zu bezahlen. Dieses soll Bioqualität haben, da es nicht gespritzt werden muss. Schädlinge hätten unter den künstlichen Bedingungen sowieso keine Überlebenschance. Außerdem wüssten die Menschen zu hundert Prozent, woher ihr Essen stammt.

Für größere landwirtschaftliche Konzerne wird das Indoor Farming sehr wahrscheinlich eine Rolle spielen. Dies zeigt zum Beispiel die Eröffnung der Chicagoland Vertical Farm in Texas Anfang des Jahres. Hier wurden rund 1.000 LED Leuchten installiert, um Gemüse für die dichtbesiedelte Umgebung zu produzieren. Dass es auch in kleinerem Stil geht, zeigt ein Lokal in Berlin Kreuzberg. Auf gerade einmal zehn Quadratmeter sind hier die verschiedenen Gemüsesorten verteilt. Ihre selbst gestalteten Indoor Gärten bieten die jungen Besitzer mittlerweile sogar zum Verkauf an. Einer ihrer Kunden ist zum Beispiel das Berliner Designhotel „25 Hours“ am Bahnhof Zoo. Ob auch private Haushalte der gastronomischen Idee folgen werden, wird wohl auch eine Mentalitätsfrage entscheiden: Sind die Menschen bereit für Essen aus dem „Labor“, oder werden die Produkte des natürlich gedüngten Bauernhofs die Oberhand behalten?