VON CLEMENS POKORNY | 12.04.2013 11:58

Black Sites: Staatlich legitimierte Folter

Geheimgefängnisse, in den USA „black sites“ genannt, verstoßen bereits an sich und vor allem auch durch die in ihnen praktizierte Anwendung von Folter gegen die Genfer Konventionen sowie die UN-Antifolterkonvention. Bei ihrer 2009 angeordneten Schließung gibt es nach wie vor Probleme.

„Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die infolge Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder irgendeiner anderen Ursache außer Kampf gesetzt wurden, sollen unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden“. „Die Kriegsgefangenen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre.“ Diese verbindlichen Regelungen sehen die Paragraphen 3 und 14 des III. Genfer Abkommens („Genfer Konvention“) vom 12. August 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen vor. Die UN-Antifolterkonvention vom 10. Dezember 1984 verbietet des Weiteren Folter und betont in § 2, Absatz 2: „Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden.“ Beide Dokumente haben u.a. Deutschland und die USA unterzeichnet – doch mit seinen weltweit verteilten Geheimgefängnissen („Black Sites“) wie Camp Delta in der Guantanamo Bay hat Uncle Sam massiv dagegen verstoßen.

Ich studiere den Weltfrieden!

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beschloss die CIA, von ihr entführte Personen nicht mehr in die USA zu überführen, sondern außer Landes festzuhalten. Im Dezember 2011 wurde der in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige Murat Kurnaz in Pakistan verhaftet, an die US-Streitkräfte ausgeliefert und bald in eines der bekanntesten Geheimgefängnisse der USA, das Gefangenenlager in der kubanischen Guantanamo Bay, verlegt. Am 7. Februar 2002 setzte sich Präsident George W. Bush jun. per Präsidialbefehl über den Artikel 3 der Genfer Konventionen hinweg. Am 2. Dezember erlaubte sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld offiziell die Anwendung von Folter; 2005 verteidigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Praxis deutscher Sicherheitsbehörden, Informationen zu verwerten, die mutmaßlich unter Folter erlangt worden sind. Im August 2003 wurde erstmals bekannt, dass die USA Geheimgefängnisse mit insgesamt ca. 3000 Häftlingen betreiben: ein eklatanter Verstoß gegen die 3. und 4. Genfer Konvention, die Gefangenen Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie ein ordentliches Verfahren zusichert.

An Silvester desselben Jahres wurde der deutsche Staatsangehörige Khaled el-Masri aufgrund einer Verwechslung in Mazedonien festgenommen, über drei Wochen lang unter Kontaktsperre in einem Hotel festgehalten und schließlich von der CIA nach Afghanistan entführt, wo er in einer Black Site interniert und gefoltert wurde. Nach seiner eigenen sehr detaillierten Aussage, die er mehrfach widerspruchsfrei gemacht hatte, wurde er nackt ausgezogen, dann wurden ihm Windeln angezogen, man gab ihm Drogen und einen Einlauf. Außerdem wurde er geschlagen. Daraufhin trat er in einen Hungerstreik. Als sich herausstellte, dass er mit einem hochrangigen al-Kaida-Mitglied verwechselt worden war, setzte man den Deutsch-Libanesen ohne finanzielle Mittel oder Information seiner Angehörigen auf einem Waldweg in Albanien nahe der mazedonischen Grenze aus, von wo er sich nach Deutschland durchschlagen musste. Aufgrund seines Foltertraumas leidet el-Masri seitdem unter massiven psychischen Problemen und wurde mehrfach straffällig.

Seine Foltererlebnisse erscheinen beinahe geringfügig gegenüber dem, was Häftlinge des Gefangenenlagers in Guantanamo erleiden mussten. Wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das diese Black Site als einzige humanitäre Organisation regelmäßig besuchen durfte, sowie ein Bericht des Pentagon selbst bestätigt hat, wurden Terrorverdächtige dort massiver Folter ausgesetzt: Drohung von Vernehmungsbeamten gegenüber einem Häftling, seine Familie zu verfolgen; Verkleben des Mundes eines Häftlings mit Klebeband wegen des Zitierens von Koranversen; Verschmieren von Flüssigkeit im Gesicht eines Häftlings unter Angabe, es handle sich um Menstruationsblut; Anketten von Häftlingen in fetaler Position; Koran-Schändungen; Schlafentzug oder auch Waterboarding.

Kurz nach Bekanntwerden noch brutalerer Foltermethoden von US-Militärs im Abu-Ghuraib-Gefängnis im Irak erlaubte der Supreme Court der USA 2004 den Insassen von Black Sites, US-amerikanische Gerichte anzurufen. Zwei Jahre später begann sich auch in US-Behörden der Widerstand gegen die Black Sites zu regen, und zwei Tage nach seinem Amtsantritt ordnete Präsident Barack schließlich im Jahr 2009 die sofortige Schließung aller Geheimgefängnisse an. Doch dabei gibt es Probleme. So sind in Guatanamo noch immer Unschuldige untergebracht, deren Überführung in ihre Heimatländer aus diversen Gründen angeblich nicht möglich ist. Der Ausbau der Lager wird derzeit mit 30 Mio. US-$ weiter vorangetrieben. Und am 31. Dezember 2011 unterzeichnete Obama ein Sicherheitsgesetz, das die US-Behörden unter anderem dazu ermächtigt, terrorverdächtige Ausländer unbegrenzte Zeit in Haft zu nehmen – Guantanamo wird also weiter gebraucht. Weil das BKA Murat Kurnaz in Guantanamo verhört hat und über deutsche Flughäfen und Luftraum Verdächtige verschleppt wurden, hat auch die Bundesrepublik gegen die UN-Antifolterkonvention verstoßen. Für all diese Menschenrechtsverletzungen wurden die Hauptverantwortlichen bis heute nicht belangt, Opfer wie Khaled el-Masri erhielten keine Entschädigung.