VON CLEMENS POKORNY | 24.07.2014 13:32

„I'm going back on the bicycle...“ – Radfahren in der Stadt

Die Niederlande und Dänemark machen es vor: Radfahren ist nicht nur gesund, sondern auch sparsam und umweltfreundlich. Mit Lastenrädern lassen sich auch Kinder oder schwere Frachten sicher transportieren. Doch in vielen deutschen Städten haben Radler keinen leichten Stand. Sie könnten viel von Münster lernen. Die selbsternannte Fahrradhauptstadt der Bundesrepublik bietet beste Voraussetzungen für den Zweiradverkehr, nicht zuletzt aufgrund einer sinnvollen Verkehrspolitik.

I'm going back on the bicycle, I just can't pay the bills“ sang Tommy von The Sands Family bereits 1980. Doch Autofahren ist nicht nur eine Kostenfrage. Vor allem in den durch Landflucht wachsenden Großstädten und Agglomerationen spielen auch Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein eine Rolle bei der immer häufigeren Entscheidung gegen ein (zweites) Auto.

Besonders bei Familien im Trend: Lastenräder. Von den Autos ab den 1960er-Jahren aus den Städten verdrängt, erleben diese Nutzfahrzeuge auf zwei bis drei Rädern derzeit eine Renaissance. Sie bieten für einen Neupreis ab 1500 Euro meist vor dem Lenker eine Ladefläche oder einen wannenförmigen Lastenträger – und damit gegenüber Anhängern den Vorteil, immer sofort verfügbar zu sein. Bis zu vier Kinder oder ein Großeinkauf bis 100 Kilogramm können so sicher, bequem und umweltfreundlich transportiert werden. Ein Verdeck beschirmt die Fracht bei vielen im Fachhandel erhältlichen Modellen – der Fahrer dagegen bleibt bei Regen (bislang) ungeschützt.

Helmpflicht für Biker?

Noch stärker gefährdet alle Velo-Freunde in der Stadt der motorisierte Verkehr. 354 Radfahrer starben 2013 auf deutschen Straßen, also im Durchschnitt fast täglich ein Mensch. Oft ist bei selbstverschuldeten tödlichen Fahrradunfällen Alkohol im Spiel, Verstöße gegen die StVO kommen hinzu. Doch in vielen Städten haben es Radler auch nicht gerade leicht, sich regelkonform zu verhalten: Eigene Radwege fehlen meistens und auf der Fahrbahn ist im Zweifelsfall das Auto der Stärkere.

Münster in Westfalen geht da mit gutem Beispiel voran. In der „Fahrradhauptstadt“ Deutschlands besitzen 93% der Einwohner mindestens ein Fahrrad bei gleichzeitig unterdurchschnittlicher PKW-Dichte. Insgesamt kommen auf die knapp 300.000 Einwohner fast doppelt so viele Drahtesel, nach einer Umfrage nutzen die Münsteraner kein anderes Verkehrsmittel so oft im Alltag (500.000 Fahrten täglich). Der hohe Status des Fahrrads in Münster beruht auf dem wohl am besten ausgebauten Radwegenetz einer deutschen Großstadt, einer für den Kraftverkehr gesperrten Altstadt sowie dem europaweit einmaligen autofreien Ring um die Innenstadt, die sogenannte Promenade. Mit Ausnahme der eher unbeliebten Busse gibt es daher kaum Alternativen für innerstädtische Fahrten. Zudem ist auf der kleinen Fläche Münsters keine Distanz größer als fünf Kilometer und Steigungen findet man hier auch kaum. In drei „Radstationen“ können die Räder sicher und kostengünstig abgestellt werden – am Hauptbahnhof steht die größte Europas, mit Platz für 3300 Fahrräder.

Doch leider gibt es nur wenige solcher Fahrradparkhäuser, bundesweit etwa 100, davon stehen zwei Drittel in Nordrhein-Westfalen. Von Münster zu lernen hieße, mehr Radwege neben den Fahrbahnen zu schaffen, schmale Straßen in den Altstädten zu Fahrradstraßen umzuwandeln, Radfahrschleusen zu schaffen (d.h. eigene Haltepunkte für Radfahrer direkt vor einer Ampel) und mehr Radstationen zu bauen. Auch „Shared Space“ ist in Deutschland fast überall noch ein Fremdwort. Mit all diesen Maßnahmen ließe sich die Sicherheit für die Radfahrer und ihre Gefährte erhöhen und dadurch das klimafeindliche Auto weiter aus den Städten zurückdrängen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) wartet nicht auf die Politik und hat mit „Daniel“ in München ein Projekt initiiert, in dessen Rahmen sich jeder Bürger kostenlos Lastenräder leihen kann. Damit widerlegt auch er ein Vorurteil, dass Tommy Sands in seinem eingangs erwähnten Lied zitiert: „You won't go far without a car“. Innerhalb von Städten gilt das schon heute mit Sicherheit nicht.