VON JULIA ZETZ | 08.06.2012 14:28

Privat, gesetzlich oder gar nicht?

Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit werden Menschen in Klassen eingeteilt. Finanziell schlechter Gestellten wird eine ärztliche Behandlung oft verweigert. Aber was kann dagegen getan werden?

Martin H. ist 38 Jahre, gelernt hat er Schreiner, sogar eine eigene Werkstatt hatte er. Vor zwei Jahren war er kurz davor sich selbstständig zu machen. Dann kam der Einbruch. Seine Frau verließ ihn, das konnte Martin nicht verkraften. Die Kinder nahm sie auch mit. Martin saß in seinem Haus, allein, unfähig zu handeln. Er verlor zuerst seinen Job, dann sein Haus. Wo er jetzt wohnt? Auf der Straße. Penner sagen die Leute zu ihm. Solche will ja keiner, hat er auch schon gehört.

Ob sich die Leute manchmal überlegen, wie Martin in diese Situation gekommen ist? Wahrscheinlich nicht. Ja, Martin trinkt. Anders kann er sein Leben nicht mehr verkraften. Und Alkohol wärmt bei unter Null Grad. Zu essen gibt es bei Martin kaum etwas, das kann er sich nicht leisten. Manchmal geht er zur Tafel, da gibt’s dann eine warme Mahlzeit und Kaffee, schlafen kann er dort nicht. Sein Bett ist ein Karton, sein Zuhause der Bahnhof, sein Leben? Nicht mehr da.

Manchmal wacht Martin nachts auf. Er hat Schmerzen, Zahnschmerzen. Was er dagegen tut? Einen großen Schluck aus der Wodkaflasche nehmen und weiterschlafen...

Zwei-Klassen-Deutschland

Krankenversicherung für Studenten

Wer heute einen Termin bei einem Arzt vereinbart wird meistens gefragt: „Sind Sie privat oder gesetzlich versichert?“. Eigentlich eine Frage, die nichts mit der ärztlichen Behandlung zu tun hat, oder? Doch! Wer privat versichert ist, der bekommt schneller einen Termin beim Arzt, wird bevorzugter behandelt und besser versorgt.

Wer keine Versicherung hat, der wird auch gar nicht erst behandelt. Menschen wie Martin H. können nicht einfach zu einem Arzt gehen und auf eine Behandlung hoffen. Vermutlich würden die meisten Sprechzimmerdamen sie sofort der Praxis verweisen.

Mensch ist nicht gleich Mensch

Zwar sind vor dem Gesetz alle Menschen gleich, der Alltag sieht aber anders aus. Knapp zehn Prozent der Deutschen sind nicht versichert. Zwar sind Angestellte gesetzlich krankenversichert, aber eine Behandlung, gerade beim Zahnarzt können sich viele nicht leisten. Eine Krone für einen Zahn kann schon mal knappe 1 000 Euro kosten, für Geringverdiener unmöglich.

Behandlungspflicht für Ärzte?

Um diesen Missstand zu beseitigen wurden seitens der Politik keinerlei Reformen vorgeschlagen. Jedoch sollte jedem Menschen das Recht zustehen ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Großbritannien geht in dieser Sache mit gutem Beispiel voran.

Eine Lösung könnte eine Behandlungspflicht für Ärzte sein. So könnte jeder Arzt verpflichtet werden zehn Prozent seiner jährlichen Behandlungsleistung für die ärztliche Versorgung von finanziell schlechter gestellten und nicht versicherten Menschen vorzunehmen. Einen ersten Schritt hin zu einer lückenlosen ärztlichen Versorgung geht die Hagener Ambulanz „Luthers Waschsalon“, hier behandeln Medizinstudenten im Rahmen ihres Studiums kostenlos mittellose Patienten.

Die Teilung in zwei Klassen obliegt in Deutschland noch einem großen Schweigen. Jedoch sollte jeder Mensch, egal aus welcher sozialen Schicht er kommt, das Recht auf eine ärztliche Behandlung haben. Auch seitens der Politik sollte dieses Thema nicht weiter unter den Tisch fallen, Handlungsbedarf ist dringend notwendig.