VON CLEMENS POKORNY | 31.01.2014 13:58

Lanz und der Rundfunkstaatsvertrag

Der Moderator Markus Lanz fällt in seiner gleichnamigen Talkshow immer wieder durch unfairen Diskussionsstil auf. Jüngst erhitzte eine Sendung die Gemüter, in der er Sahra Wagenknecht von der Partei Die Linke wiederholt mit unsachlichen Bemerkungen unterbrach. Wer vom Niveau des öffentlich-rechtlichen Fernsehens generell die Nase voll hat, könnte übrigens bald wieder die Möglichkeit haben, keine Rundfunkgebühr zu bezahlen. Wozu bedarf es eigentlich eines Rundfunkstaatsvertrags?

Ist Markus Lanz nur eine austauschbare Figur des öffentlich-rechtlichen Fernsehens oder versucht er entgegen seiner journalistischen Sorgfaltspflicht Stimmung zu machen? Eben Letzteres urteilen weit über 200.000 Menschen, die in einer Online-Petition die Entlassung des Moderators fordern. Stein des Anstoßes: Eine Ausgabe der nach Lanz benannten Talkshow, in der Lanz (und sein Studiogast Jörges ) die ebenfalls eingeladene Politikerin der Partei Die Linke, Sahra Wagenknecht, nach Meinung vieler Zuschauer unwürdig behandelten.

Rundfunk-Staatsvertrag

Die GEZ – Reform und Geschichte

Als Wagenknecht beispielsweise auf ihre Arbeit als Abgeordnete im Europarlament (2004-2009) abhob, um auf die Lobbyarbeit großer Konzerne in Brüssel einzugehen, unterbrach Lanz sie ständig mit Fragen und Bemerkungen zu ihrem Einkommen als Abgeordnete und hinderte sie so nicht nur daran, ihre Ausführungen fortzusetzen, sondern versuchte ganz offensichtlich, sie als unglaubwürdig darzustellen, von wegen: Sich für finanziell Schwache einsetzen, aber selbst gehörig kassieren. Wo da der Widerspruch liegt, blieb freilich das Geheimnis des Moderators, der übrigens etwa 150.000 Euro pro Monat verdient (fast das 20-fache einer Europaabgeordneten). Doch leider war das nur ein Beispiel von vielen.

Während Lanz große Sympathie erkennen lässt, wenn ihm die Meinung eines Studiogastes gefällt, sinkt er andernfalls auf ein für Viele inakzeptables Niveau herab und will dies dann noch als „kritisches Nachfragen“ verstanden wissen. Das musste auch der Börsenexperte Dirk Müller in einer früheren Sendung erleben. Pausenlos stellte Lanz darin von Müller ins Feld geführte Fakten in Frage, ohne sich näher mit dem Thema beschäftigt zu haben. Müller charakterisierte in der anschließenden Diskussion über die Diskussion Lanz' Prinzip: „Wenn man nachfragt, is' ja richtig, aber wenn man einfach nur in Abrede stellt, ohne zu überprüfen, das is' dann schon schwierig.“ Und selbst „kritisches Nachfragen“ wurde nicht nur von Lanz, sondern auch von seiner ZDF-Kollegin Marietta Slomka als Instrument benutzt, den Gesprächspartner unglaubwürdig erscheinen zu lassen. In Slomkas berüchtigtem Interview mit Sigmar Gabriel widerlegte der SPD-Vorsitzende die Behauptung, der SPD-Mitgliederentscheid über die Regierungsbeteiligung verstoße möglicherweise gegen die Verfassung, und trotzdem wiederholte Slomka diese Frage bzw. Aussage sinngemäß noch ganze sechs Mal. War ja immerhin die Meinung von „sehr ernsthaften Verfassungsrechtlern“...

Angesichts solcher journalistischer Praxis stellen sich einige in der Diskussion über die Anti-Lanz-Petition die Frage: Warum sollen wir eigentlich für einen solchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch bezahlen? Sie ist gerade in einer Zeit berechtigt, da die Bevölkerung zur Abnahme der Produkte der Öffentlich-Rechtlichen gezwungen wird. Denn seit dem Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrags am 1. Januar 2013 muss jeder Haushalt den „Rundfunkbeitrag“ bezahlen, völlig egal, ob seine Mitglieder Fernseher und Radio haben oder nicht und ob sie sie nutzen (können) oder nicht. Mancher zahlt die Rundfunkgebühr nur unter Vorbehalt und schickt der GEZ eine entsprechende Erklärung, die im Internet als Musterbrief kostenfrei und anonym heruntergeladen werden kann. Dagegen kann die GEZ nichts machen, und sobald der Rundfunkstaatsvertrag von den Gerichten kassiert wird, muss sie alle unter Vorbehalt gezahlten Beiträge zurückerstatten. Die Chancen darauf stehen gut: Etliche Verfahren gegen die Rundfunk„gebühr“ sind bereits anhängig. Ein Urteil gibt es noch nicht, doch zahlreiche Gutachten und seit kurzem auch die summa cum laude bewertete juristische Dissertation einer NDR-Mitarbeiterin (!) belegen eindeutig: Der Rundfunkstaatsvertrag ist verfassungswidrig, weil die „Gebühr“ ohne Gegenleistung erhoben wird, also tatsächlich eine Steuer ist. Aber weder hatten die Bundesländer die Kompetenz, eine solche Steuer einzuführen, noch darf die GEZ eine Steuer einziehen!

Ohne GEZ-Gebühren kein Lanz, könnte man denken. Doch das Thema ist komplexer. Immerhin schafft der Rundfunkstaatsvertrag bundesweit einheitliche Rechtsstandards für die Rundfunkanstalten der Länder. Er garantiert die Überparteilichkeit der Berichterstattung, die freilich in der Praxis immer wieder unterlaufen wird. Öffentlich-rechtliche Medien stehen weiters unbestritten für ein relativ hohes inhaltliches Niveau und müssen nicht immer dem Diktat der Quote folgen, weil sie von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung finanziert werden. Doch gerade weil sie den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet sind, sollten sie deren Wünsche zum Programm ernst nehmen – gegebenenfalls muss eben auch ein überbezahlter Halbprofi wie Lanz gehen. Ganztägige Werbefreiheit wäre schon bei einer geringen Erhöhung des Rundfunkbeitrags möglich. Aber niemand darf dazu gezwungen werden, die Produkte der Öffentlich-Rechtlichen zu kaufen.