VON JOACHIM SCHEUERER | 20.01.2014 13:18

Island – nicht nur geographisch eine einzigartige Insel

Island, so der Name der größten Vulkaninsel der Erde, ist nicht zuletzt aufgrund der jahrhundertealten und sagenumwobenen Literatur- und Kulturtraditionen oftmals Gegenstand romantischer Fantasien und Sehnsüchte vieler Menschen weltweit. Naturverbundene Einsiedelei und Zurückgezogenheit sowie der Glaube an märchenhafte Fabelwesen werden so automatisch mit diesem Land assoziiert wie Bayern mit Brezen und Bier. Dabei zeigt sich nicht zuletzt im Umgang der Isländer mit der weltweiten Finanzkrise, die jene als eine der ersten traf, dass Island neben seinem mythologischen Erbe vor allem auch Qualitäten wie Konsequenz, Solidarität und Selbstbewusstsein zu bieten hat, welche alles andere als naiv und abergläubisch sind.

Curitiba – Stadt mit System

Wer würde nicht einmal gerne durch Reykjavíks Nachtleben ziehen, während die Polarlichter am Himmel die Diskobeleuchtung besorgen? Oder in einer der zahlreichen heißen Quellen baden, eine der vielen verschiedenen Gletscherarten besichtigen oder eines der 30 Vulkansysteme bestaunen. Keine Frage, Island ist abgesehen von den relativ niedrigen Temperaturen (zwischen 15 und 20 Grad im Sommer), äußerst sehens- und lebenswert, wenn nicht sogar vorbildlich. Island hat global gesehen eine der höchsten Lebenserwartungen. Die Bevölkerungsdichte beträgt, bei 321.857 Einwohnern, nur 3,1 Einwohner pro Quadratmeter. Platz ist also reichlich vorhanden. Strom wird in Island zu 100% aus regenerativen Quellen wie Wasserkraft und Geothermie bezogen. Trotz der Finanzkrise zählt das isländische pro-Kopf-Einkommen immer noch zu den höchsten weltweit und auf dem Demokratie-Index der britischen Zeitschrift „The Economist“ rangiert Island regelmäßig unter den Top 3.

Die demokratische Stärke des Volkes in Island konnte man besonders im Zuge der Finanzkrise sehen. Als 2008 die isländischen Banken mit einem Verlust von 100 Milliarden (acht Mal das BIP des Landes) zusammenbrachen, wurden die drei Großbanken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki verstaatlicht. Das isländische Parlament wollte im Zuge dessen außerdem ein Gesetz verabschieden, welches dem Rückzahlungsplan der internationalen Gemeinschaft Rechnung tragen sollte. Die Isländer gingen jedoch auf die Barrikaden und demonstrierten und bewogen so ihren Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson zu einer Volksabstimmung über das Gesetz zur Entschädigung ausländischer Gläubiger. Bei beiden Anläufen stimmten die Isländer dagegen.

Die bis heute anhaltende Aufarbeitung und Suche nach den Schuldigen für die Krise scheint allgemein in Island anders als im Rest der Welt auch tatsächlich die Verursacher in die Verantwortung zu nehmen und nicht bloß den Staat und die Steuerzahler. Zum Unmut ausländischer Investoren wurden die Geschäftsmodelle der Banken komplett auf das Inland reduziert. Investmentbanking, Aktiengeschäfte usw. sind eine Seltenheit geworden. Verstrickte Banker wurden entlassen oder vor Gericht gestellt.

Sicherlich sind die isländischen Entwicklungen und Strategien nicht ohne weiteres auf wesentlich größere Länder wie beispielsweise Deutschland zu übertragen, nicht zuletzt aufgrund der viel weitreichenderen globalen Vernetzung deutscher Bankinstitute. Dennoch ist der isländische Weg mehr als bemerkens- und bedenkenswert und scheinbar auch nicht gerade ungefährlich für die bisherigen Konventionen und Praktiken im Finanzsektor. Wie sonst könnte man sich die relativ spärliche Berichterstattung zum Sonderweg Islands erklären?