VON C.V.A. | 29.04.2013 15:05

Wie die Wirtschaft die Hochschulen beeinflusst

Das kürzlich neu entstandene Portal Hochschulwatch.de gibt Auskunft über Kooperationen zwischen einzelnen deutschen Hochschulen und wirtschaftlichen Unternehmen. Die Organisation sorgt sich um die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre. Ziel ist herauszufinden inwiefern wirtschaftliche Interessen die Unabhängigkeit der Wissenschaft bedrohen können.

Hochschulwatch.de berichtet über Beispiele bei denen wirtschaftliche Unternehmen wissenschaftliche Einrichtungen finanziell unterstützen. Nutzer können eigene Beiträge erstellen und von Kooperationen zwischen einzelnen Hochschulen und Unternehmen berichten. Das Portal erklärt, dass die meisten Kooperationen der 400 Hochschulen in Deutschland mit Unternehmen aufgrund einer fehlenden Veröffentlichungspflicht kaum bekannt sind. Auf einer Karte der Internetseite kann man sehen, wie viel Geld einzelne Hochschulen im Jahr 2010 von der Wirtschaft für ihre Forschungsprojekte bekommen haben. Drahtzieher hinter dem Portal sind die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland, die Tageszeitung taz und der freie Zusammenschluss von Studentinnenschaften (FZS). Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland Edda Müller findet, dass Universitäten keine Werbeflächen sind und warnt vor einem Einfluss der Unternehmen bei Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen und der Auswahl von Professoren. Die TU München bezieht beispielsweise 34 Prozent, also circa 72 Million  Euro des gesamten Drittmittelbudgets aus wirtschaftlichen Unternehmen. Bei der Universität Stuttgart sind es 25 Prozent. Bei den kleineren Universitäten oder Fachhochschulen beträgt der Anteil am Drittmittelbudget teilweise bis zu 87 Prozent (siehe FH Landshut), bei privaten Fachhochschulen können es dann auch mal 100 Prozent sein (Private FH Elmshorn).

Hörsal-Sponsoring als neue Einnahmequelle

So geht es auch:

Eine bizarre Erscheinung ist auch das so genannte Hörsaal-Sponsoring: Hochschulsäle werden nach Wirtschaftsunternehmen benannt, wie etwa der Aldi-Süd-Hörsaal oder die Warema Renkhoff Aula der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Die Hochschule teilt auch ganz frei auf ihrer Homepage mit, wie sie von Aldi, Sparkasse und der Sonnenschutzfirma gesponsert wird und erklärt dies als eine Win-Win Situation: Für die Hochschule sei das eine Sicherung der optimalen Studienbedingungen und für die Unternehmen eine Sicherung der Ausbildung hervorragender Absolventen, die die Unternehmen benötigen. Das bayerische Wirtschaftsministerium in München sieht hier bei „keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken“, solange durch das Sponsoring keine inhaltliche Abhängigkeit der Hochschule entstehe und die Förderung transparent bleibe. Auch in der Universität Mannheim sind Hörsäle seit dem Jahr 2000 nach unterschiedlichen Unternehmen, Privatpersonen und Stiftungen benannt.

Aber sind Drittmittel wirklich ein Problem? Verhindern sie unabhängige Wissenschaft? Die Berliner Humboldt-Universität lehnt eine Benennung der Hörsäle nach Wirtschaftsunternehmen ab und begründet dies mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit. Auch soll das gute Image der Wissenschaftler und ihre Akzeptanz beim Berliner Senat bewahrt werden, erklärt Dirk Radzinski, Geschäftsführer der Humboldt Innovation GmbH. Tatsächlich liegt der Prozentanteil von wirtschaftlichen Unternehmen am Drittmittelbudget der Humboldt-Universität nur bei 4,6 Prozent.

Einfluss auf Forschungsergebnisse?

Nicht in jedem Falle ist die Förderung so transparent wie bei der FH Würzburg. Die Universität Köln hat beispielsweise einen Vertrag mit der Bayer Healthcare AG zur Förderung der Krebs- und Herzforschung geschlossen, den sie bis heute strikt unter Verschluss hält. So ist unklar auf welche Weise die Universität an gemeinsamen Projekten teilnimmt, wer zukünftige Forschungsbereiche auswählt und wie die Publikationsfreiheit sichergestellt wird. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) hat beim Verwaltungsgericht Köln unlängst Klage gegen die Universität eingereicht, da diese sich nach wie vor hartnäckig weigert Einsicht in die Vertragsbedingungen zu gewähren.

Inwiefern in diesem Fall Lehre und Forschung unabhängig bleiben und auf welche Weise die Wissenschaft durch den Konzern beeinflusst wird, bleibt in diesem Falle unklar.

Schwierig wird es auch im Falle des IKAs. Das Aachener Institut für Kraftfahrzeuge, das zu staatlichen Hochschule RWTH Aachen gehört, arbeitet mit der Fahrzeugbranche zusammen. 40 Prozent des Budgets und die Mehrzahl der Forschungsarbeiten werden von der Automobil-Lobby gesponsert. Diese ist der Ansicht, dass CO2-arme Autos teurer sind und spricht sich gegen die strengeren CO2-Richtwerte aus, die die EU fordert. Das IKA hat dann auch gleich eine Studie dazu veröffentlicht, mit dem Ergebnis dass der Verbraucher mit 1900 Euro für zusätzliche Technologien rechnen muss. Der ADAC jedoch hält diese Studie für „irreführend für den Verbraucher“, da die Kosten zwischen 250 und 1650 Euro anzusiedeln sind.

Auch das brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) arbeitet mit einem wirtschaftlichen Unternehmen zusammen. Die EADS hat einen Geschäftsanteil von 25 Prozent am Institut und kann somit wichtige Entscheidungen mit beeinflussen. So forderte die EADS, dass die bisher nur vom Militär genutzten Drohnen auch im zivilen Luftverkehr eingesetzt werden dürfen. Nachdem das BIGS eine Studie im Auftrag der EADS veröffentlicht hat, entschloss sich die schwarz-gelbe Bundestags-Mehrheit 2012 für die Zulassung. Die Studie erschien kurz vor der Abstimmung des Bundestags. Ihr zufolge gäbe es „starke Marktpotenziale im zivilen Bereich“. Dass hier eine unabhängige Auftragsforschung stattgefunden haben soll, lässt sich stark bezweifeln. Bärbel Höhn, Umweltexpertin der Grünen, sowie Swen Schulz von der SPD befürchten eine zu starke Beeinflussung der Forschung durch die Wirtschaft und fordern eine geringere Beteiligung der Wirtschaft an der Wissenschaft.

Solange die Hochschulen sich aber „im Wettbewerb um Forschungsmittel“ befinden, wird es mit der Freiheit von Forschung und Lehre schwierig werden, erklärt Wolfgang Lieb von der SPD. Die Hochschule entwickle sich immer mehr zu einer unternehmerischen und entferne sich so vom humboldtschen Ideal. Wo 1995 noch 67 Prozent des Budgets vom Staat übernommen wurden, stieg der Drittmittel-Anteil 2010 auf 45 Prozent. Davon stammen 21 Prozent aus wirtschaftlichen Unternehmen. Solange sich also die Mittel des Staates für die Universitäten weiterhin verringern, öffnen sich die Tore für die Wirtschaft immer mehr. Die Unternehmen haben das Geld das die Hochschulen brauchen, aber auch ihre eigenen Interessen.