VON LISI WASMER | 12.03.2014 14:56

Google, Geld und Politik

Geld verdienen, ohne jemandem damit zu schaden. Demokratie im Internet funktioniert. Das sind nur zwei von insgesamt zehn Google-Grundsätzen. Dass man dem Internet-Giganten nicht blind vertrauen sollte, ist im Datenkraken-Zeitalter nichts Neues: Google und Demokratie, für diesen Zusammenhang muss man schon ganz ordentlich um die Ecke denken. Was man schon immer ahnte, findet in einer von Google veröffentlichten Liste finanziell unterstützter Organisationen Bestätigung. Regierungsfeindliche Gruppen werden ebenso aufgeführt wie politisch rechts außen angesiedelte Politiker. Die Entrüstung ist groß. Warum, weiß niemand.

Sechs bunte Buchstaben, ein Eingabefeld – viel mehr braucht es nicht, um ein weltweit agierendes Online-Unternehmen mit 394 Milliarden US-Dollar Börsenwert aufzubauen. Natürlich steckt hinter Google weit mehr als ein Logo und eine Eingabemaske. Im Zusammenhang mit der derzeitigen Debatte um den Suchmaschinen-Riesen geht es aber nicht um komplizierte Algorithmen oder etwa das hauseigene soziale Netzwerk. Es geht noch nicht einmal um Google als Datenkrake, um personalisierte Werbung oder gefilterte Suchergebnisse.

Der Gläserne Mensch

Stattdessen geht es um die politische Ausrichtung des Unternehmens – eine Debatte, die zwar öffentlich ist, aber längst nicht so omnipräsent wie die kürzlich neu angefachte Kritik an Facebook oder Whatsapp. Das mag daran liegen, dass die Sachlage nicht so unmittelbar einleuchtend ist wie Datenklau und Co. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Entrüstung längst nicht so gut unterfüttert ist wie in anderen Fällen.

Großes Geld für große Gesten

Ein Anzeichen dafür ist der Fakt, dass das „Center for Media and Democracy“, eine non-profit-Organisation für investigativen Journalismus, bereits Ende 2013 einen ausführlichen Artikel über Googles finanzielle Förderung diverser Organisationen veröffentlichte. In der vom Suchmaschinen-Betreiber selbst herausgegebenen Liste „substantiell unterstützter Gruppen“ finden sich durchaus auch kritisch zu beurteilende Günstlinge.

Wie diese „substantielle Unterstützung“ in US-Dollar umzurechnen wäre, gibt Google nicht an, so Nick Surgey im eben angesprochenen Artikel. Bei (damals noch) 330 Milliarden US-Dollar Börsenwert dürfe es sich aber doch um gehörige Summen handeln, wie es dort weiter heißt. Wer bekommt nun also etwas ab vom großen Google-Kuchen? Grover Norquist, zum Beispiel. Der konservative Aktivist und Lobbyist ist Präsident der „Americans for Tax Reform“ Gruppierung (ATR), einer einflussreichen US-amerikanischen Interessenvertretung. Wie weit sein Arm tatsächlich reicht, wurde 2011 in der Haushaltskrise der Vereinigten Staaten deutlich: Die Republikaner verweigerten (angeblich auf Norquists Geheiß) Steuererhöhungen, den USA drohte der wirtschaftliche Supergau.

Großes Geld zieht große Kreise

Natürlich ist Norquist nicht das Ende der Fahnenstange. Ob das überhaupt jemals erreicht werden wird, weiß vermutlich Google allein. Bekannt ist aber, dass ATR Teil des „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist, eine non-profit Organisation, die Gesetzesvorlagen erarbeitet und verbreitet und äußerst einflussreiche Lobbyarbeit, vor allem zu Gunsten der Industrie, betreibt. Kritiker beurteilen ALEC als rechtsgerichtet. Bill Moyers, Präsident der Stiftung „Schumann Center for Media and Democracy“, wirft der Organisation in der Youtube-Dokumentation „United States of ALEC“ vor, Verhandlungsrechte zu verwässern, einigen Amerikanern die Wahlbeteiligung zu erschweren und die Möglichkeiten von Kunden zu beschränken, verantwortliche Firmen im Schadensfall zu belangen.

Bleibt ein dritter unangenehmer Name in Googles Spenden-Liste: Heritage Action for America, eine weitere konservative US-amerikanische Lobby. Bekannt wurde die Gruppierung nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Haushaltskrise 2013. Sie bot dem texanischen Senator Ted Cruz eine Plattform für seine Wahlkampftour gegen die Gesundheitsreform von Präsident Obama, glaubt man Mary Bottari vom Center for Media and Democracy.

Großes Geld und schmale Steuern

Aber nicht nur was die Spendenpolitik angeht, ist Google kein weißes Schaf. Hinzu kommen auch zwielichtige Steuerpraktiken, wie der Informationsdienstleister Bloomberg berichtete: Google habe sich Steuervergünstigungen zu nutze gemacht, um etwa zwei Milliarden US-Dollar Steuern im Jahr zu sparen, heißt es in dem Artikel. Außerdem sei das Unternehmen bereits zwei Mal in der Sache von der britischen Regierung befragt worden, mit der französischen Finanzbehörde bestehe Uneinigkeit über eine Milliarde Steuern.

Großer Aufschrei und was nun?

Der gerade angesprochene Artikel erschien im Frühjahr 2013. Nick Surgeys Bericht vom Center for Media and Democracy folgte wie bereits erwähnt im November. Auffällig ist: Der gesellschaftlich-moralische Aufschrei blieb in beiden Fällen aus. Nick Surgey zählt zum Beispiel gerade einmal 28 Kommentare. Auf den Bloomberg-Bericht antworteten immerhin 41. Kein Vergleich zur öffentlichen Resonanz bei anderen Internet-Neuigkeiten wie dem teuren Kauf von Whatsapp durch Facebook. Die Empörung der Autoren scheint sich hier in der breiten Masse zu verlieren, anstatt eine immer größere Bugwelle vor sich herzutreiben, wie sonst so oft. Warum?

Eingangs wurde bereits vermutet, es läge an der Komplexität der Umstände. Die andere Begründung wäre eine weitaus einfachere: Die hier aufgedeckten Praktiken von Google erschüttern niemanden, weil sie keinen Neuheitencharakter haben. Wir glauben schon längst nicht mehr an Google, den gutmütigen Alleswisser. Wir haben verstanden, dass hinter jeder Suchmaschine, hinter jedem sozialen Netzwerk ein Unternehmen steckt, eine Inc., eine wirtschaftlich funktionierende Organisation. Wir glauben daran, dass Google zumindest mit einem Teil seines Milliardenvermögens für die gute Sache kämpft, für Entwicklungshilfe vielleicht oder gegen die Abholzung des Regenwaldes. Wir wissen aber auch, dass Google das genau so lange tut, so lange sich daraus nicht ein Konflikt mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen ergibt. Es ist nicht reine Boshaftigkeit, wenn Google Lobbygruppen wie ATR oder ALEC unterstützt. Wenn überhaupt, ist es Eigennutz. Inwiefern nun aber ein eigennütziges Wirtschaftsunternehmen für Verwunderung oder gar Empörung sorgt, sei dahingestellt.