VON MAXIMILIAN REICHLIN
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22.12.2014 14:26
Frieden durch Abrüstung – Stehen die Atomwaffenabkommen auf wackligen Beinen?
Noch im Jahr 2010 hatten sich die ehemaligen Gegner im Kalten Krieg, USA und Russland, auf ein Abkommen geeinigt, das die Anzahl verfügbarer Atomwaffen in beiden Ländern immens reduzieren sollte. Nun jedoch verläuft die Abrüstung deutlich schleppender, als zunächst vorgesehen. Medien und Experten befürchten, dass Atomwaffen wieder mehr Bedeutung in der Weltpolitik gewinnen könnten – und damit die Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt zunichte wäre. UNI.DE informiert.
Die Berichte klangen vielversprechend, nachdem vor knapp vier Jahren der amerikanische Präsident Barrack Obama und der ehemalige Präsident Russlands Dmitri Medwedew in Prag den Nachfolger des START-Abkommens zur atomaren Abrüstung unterzeichneten. Die Anzahl der Atomsprengköpfe sollte demnach durch „New START“ in beiden Ländern auf ein Maximum von knapp 1500 Stück reduziert werden, die Anzahl der Trägersysteme wie U-Boote, Raketen und Flugzeuge auf 800. Der deutsche Stern berichtete bereits von einem Schritt hin zu einer „atomwaffenfreien Welt.“
Auge um Auge, Zahn um Zahn
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Die Realität sieht dagegen anders aus: Amerika verfügt derzeit noch über knapp 7300 Sprengköpfe, Russland noch über 8000. Und
die Bestände verringern sich immer langsamer, wie das Friedensforschungsinstitut Sipri ermittelte: Im Jahr 2013 ging die Abrüstung bereits schleppender voran, als noch im Vorjahr und deutlich langsamer als noch 10 Jahre zuvor, als das 1991 besiegelte erste Start-Abkommen noch Gültigkeit besaß. „Es wird relativ deutlich, dass das nichts mit einem ernst gemeinten Abrüstungsprozess zu tun hat“, sagte der Sipri-Experte Phillip Schell. Im Gegenteil: Sowohl Russland als auch die Vereinigten Staaten investieren wieder in die Modernisierung und den Erhalt der verfügbaren Waffen.
Auch die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) bezeichnet die Bilanz der UN
in Fragen der Abrüstung als „ernüchternd“. Zwar finden immer noch Gespräche statt – so trafen sich Anfang der Woche insgesamt 158 Staaten in Wien, um über die humanitären Folgen der Atomwaffenbestände zu diskutieren – doch diese Konferenzen erfüllen, so die Meinung der Friedensforscher, nicht ihren wahren Zweck. Während einige Atomwaffenstaaten, darunter Russland, China, Israel und Nordkorea, ganz auf eine Teilnahme an der Konferenz in Wien verzichteten, sprachen sich die USA und Großbritannien für eine Fortsetzung des bisherigen „Schritt-für-Schritt-Programmes“ aus. Österreich hatte im Vorfeld ein bindendes Vertragswerk vorgeschlagen,
das Atomwaffen international verboten hätte. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch.
Dass Atomwaffen wieder eine höhere Bedeutung in der weltweiten Politik gewinnen schreiben einige Experten
vor allem der Krim-Krise und der aktuell immer noch angespannten Situation in der Ostukraine zu. Auf beiden Seiten häuft sich das Misstrauen: Im Jahr 2009 soll Russland eine Interkontinentalrakete getestet haben – angeblich mit dem Einverständnis Washingtons. Nun wird Kreml-Chef Wladimir Putin von Obama allerdings eine Verletzung des 1987 getroffenen INF-Abkommens vorgeworfen, das die Abrüstung von Atomraketen solcher Art regeln sollte. Russland verteidigt sich mit dem Hinweis auf einen „
Propaganda-Krieg“, den die Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts begonnen hätten. Obama wolle den angeblichen Verstoß vermutlich nutzen, um eigene Raketen näher an Russland zu stationieren.
So geht die internationale Abrüstung entgegen aller vor einigen Jahren noch gehegten Hoffnungen nur langsam voran. Einige Lichtblicke gibt es allerdings: So hat beispielsweise der Iran Anfang des Jahres erste Schritte unternommen,
das eigene Atomprogramm zu begrenzen. Die Anreicherung von Uran wurde im Januar unter Aufsicht der Atomenergiebehörde in Wien, auf gut 20 Prozent herabgesetzt. Ein Tropfen auf den heißen Stein allerdings. Solange Amerika und Russland zusammen noch über knapp 90 Prozent aller weltweit existierenden Atomwaffen verfügen, wird die internationale Abrüstung nur wenig Nutzen zeigen.