VON MAXIMILIAN REICHLIN
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18.12.2014 12:53
Krim, Krise, Kalter Krieg – Gefährliche Machtspiele
Gut ein Jahr ist vergangen seit dem Ausbruch der Krise auf der Halbinsel Krim in der Ostukraine und noch immer ist die Lage angespannt. Während G7 und EU mit verschärften Sanktionen gegen Russland drohen, gibt sich der Kreml bewusst gelassen. Schon wird von einem Wiederaufleben des Kalten Krieges gesprochen, viele Experten bestreiten allerdings eine unmittelbare Bedrohung. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? UNI.DE berichtet, wie der Krieg in die Ukraine kam.
Die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Halbinsel Krim, ehemals eine autonome Republik der Ukraine, bleibt weiterhin umstritten. Seit einem Volksentscheid im März diesen Jahres, in dem sich die überwiegend russischstämmige Bevölkerung der Halbinsel mit klarer Mehrheit für den Beitritt zu Russland entschied, ist die Lage angespannt. Sowohl die Ukraine als auch deren westliche Bündnispartner erkennen die Annexion durch Russland weiterhin nicht an, im Kreml wird die Krim allerdings als Teil der Föderation behandelt. Die G7 und die EU drohen nun mit verschärften Sanktionen gegen Russland: Wo bisher nur vereinzelt hochrangige Persönlichkeiten der russischen Politik und Wirtschaft mit Kontosperrungen verhängt wurden, sollen nun ganze Wirtschaftszweige gezielt boykottiert werden – allen voran etwa die Tourismusindustrie der Krim.
Schottland, Südtirol, Katalonien, Venetien und einige mehr
UNI.DE über Ursachen und Perspektiven separatistischer Bewegungen
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Bereits seit dem Beginn der zunächst friedlichen Proteste auf dem Majdan Nesaleschnosti (= „Platz der Unabhängigkeit“) in Kiew im November 2013 steht das
Schicksal der Krim auf Messers Schneide. Die Demonstrationen, ausgelöst durch die überraschende Ankündigung, die Ukraine würde das eigentlich geplante Staatenbündnis mit der EU nun doch nicht unterzeichnen, eskalierten im Dezember. Polizeieinsatzkräfte gingen
mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor, es gab Tote und Verletzte. Ein anschließender Regierungswechsel spaltete das Land in zwei kriegerische Lager: Während die Bevölkerung der Westukraine den Anschluss des Landes an die EU forderte, übernahmen im Osten und vor allem auf der Krim prorussische Separatisten die Macht. Sie wünschten sich eine Wiederangliederung der Ukraine an Russland.
Ein Hilfegesuch der Krim an Russland löste den Konflikt aus: Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin ließ die
Militärpräsenz auf der Halbinsel verstärken, russische Soldaten entwaffneten das ukrainische Militär und riegelten die Grenzen ab. Der Krieg kam in die Ukraine, die Krim wurde annektiert. In der Folge kam es zum umstrittenen Referendum, dem Volksentscheid, in dem über die Zukunft der Krim abgestimmt werden sollte. Schon kurz nach der Abstimmung hatte der Westen die Richtigkeit der Ergebnisse angezweifelt, später
stellte sich dieser Vorwurf als wahr heraus. Seitdem rücken immer mehr russische Militärkonvois in die Ostukraine vor. Der Westen reagierte. Einerseits mit dem Ausschluss Russland aus der „Gruppe der Acht“ (G8), andererseits mit ersten Wirtschaftssanktionen und Kontosperrungen.
Der Kreml zeigte sich daraufhin gelassen: Es sei aus russischer Sicht nicht schlimm, wenn der Westen glaube, die G8 habe sich überholt, betonte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Die Lage bleibt kritisch. Schon sprechen Medien von einer Situation wie im
Kalten Krieg zwischen den westlichen Alliierten und dem Ostblock nach Ende des zweiten Weltkrieges. Zwischen 1947 und 1989 standen sich in diesem Konflikt die NATO und die Sowjetunion als militärische und wirtschaftliche Supermächte gegenüber. Eine Zeit der Unsicherheit und Angst, vor allem aufgrund einer ständig drohenden Eskalation des Konflikts in einem atomaren Krieg. Die aktuelle Lage schätzen Experten allerdings als
weniger bedrohlich ein. Zumindest im Westen unter US-Präsident Barrack Obama und der deutschen Bundespräsidentin Angela Merkel wird scheinbar eher auf die Deeskalation der Lage hingearbeitet. Noch baut man auch auf die Rationalität des russischen Präsidenten. Immerhin: Es gibt einige positive Signale. Im vergangenen März hat Russland einer
Beobachtermission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in der Ukraine zugestimmt. Ein „aufgewärmter“ Kalter Krieg scheint also noch nicht in Sicht zu sein.