VON LISI WASMER | 06.05.2013 17:01

Freiheitskampf in West-Papua: Krieg im Paradies

Weißer Sandstrand, türkisblaues Meer und Landschaften, so schön, dass einem die Worte „Paradies auf Erden“ nur allzu schnell auf der Zunge liegen - das ist Neuguinea, Indonesien, wie man es kennt. Dabei liegt seit 50 Jahren auch ein dunkler Schatten auf der Sonneninsel. In einem ungleichen Kampf gegen das neu-kolonialistische Regime ringen die Ureinwohner der Provinz West-Papua um ihre Unabhängigkeit.

Es ist eine Geschichte, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Als Holland West-Papua 1963 im Zuge der Dekolonialisierung an Indonesien abtritt, soll der Inselstaat eine administrative Rolle einnehmen, bis West-Papua in einem Referendum selbst über seine Unabhängigkeit abstimmen wird. 1969 stimmen die Repräsentanten der Provinz im „Act of free Choice“ für die Zugehörigkeit West-Papuas zu Indonesien – ein Ergebnis, das unter Todesdrohungen zustande kam. Seither tobt ein erbitterter wenngleich in hohem Maße ungleicher Kampf zwischen den Ureinwohnern West-Papuas und dem indonesischen Regime. Die einen wollen ihre Freiheit, die anderen verfolgen vor allem ökonomische Interessen.

Ein stummer Krieg

Systematik der Unmenschlichkeit

Es ist ein Kampf, der im Verborgenen geführt wird. Denn Indonesien ist nicht daran gelegen, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Papua der Öffentlichkeit preiszugeben. Ausländischen Journalisten und Menschenrechtsorganisationen wird der Zugang zur Provinz untersagt, Touristen misstrauisch beobachtet. Das legt den Schluss nahe, dass hier Unrecht verübt wird. Schätzungen zufolge hat die Zahl der im Freiheitskampf gestorbenen Papua die Marke von 100.000 bereits weit überschritten. Das sind mehr als 15 Prozent der ursprünglichen Population. Von jahrzehntelangen Menschenrechtsverletzungen ist die Rede, von militärischer Unterdrückung und Apartheit. Durch Umsiedelung steigt die Anzahl indonesischer Bewohner in den großen Städten der Provinz, die Ureinwohner hingegen werden immer weiter in kleine, teils geheime Siedlungen in den Randgebieten der Region verdrängt.

Rebellen der neuen Generation

Hier versammeln sich auch die studentischen Widerstandskämpfer. Es sind gerade diese Papua, die dem indonesischen Regime gefährlich werden könnten: Junge Männer und Frauen mit guter Ausbildung und einem starken Selbstbewusstsein als rechtmäßige Einwohner von West-Papua. Sie verfügen über moderne Kommunikationsmittel, finden immer wieder Mittel und Wege, die internationale Öffentlichkeit auf die Missstände in ihrer Region aufmerksam zu machen. Ein großer Schritt in diese Richtung gelang mit dem von Aljazeera veröffentlichten Filmmaterial, das der Filmemacher Dom Rotheroe gemeinsam mit seiner Kollegin Sally Collister als Tourist getarnt vor Ort sammeln konnte. Es zeigt die derzeitige Situation in der Provinz, das harte Vorgehen der indonesischen Militärs und die Unterdrückung der Papua durch Angst und Terror.

Armes reiches West-Papua

Die harte Hand, mit der Indonesien in West-Papua regiert, kommt nicht von ungefähr. Kaum ein Landstrich auf der Welt ist reicher an natürlichen Ressourcen. Da sind riesige Flächen von Regenwald, natürliche Gasvorkommen – und da ist die Grasberg-Mine, die größte Kupfer- und Goldmine der Erde. Sie wird vom US-amerikanischen Bergbauunternehmen Freeport betrieben. Freeport ist der größte Steuerzahler ganz Indonesiens. Für viele steht das Unternehmen sinnbildlich für die Missstände in West-Papua. Es zahlt große Geldsummen an das indonesische Militär, angeblich um sich vor Übergriffen durch Unabhängigkeitskämpfer zu schützen, es leitet seine Abwasser direkt in Flüsse und Seen und zerstört so riesige Landschaftsteile. Besonders obskur ist die Tatsache, dass der erste Minenvertrag zwischen Freeport und Indonesien bereits 1967 unterzeichnet wurde, also zwei Jahre, bevor den Papua überhaupt ein Referendum über ihre Unabhängigkeit eingeräumt wurde. 2004 wurden Dokumente veröffentlicht, die über dies hinaus auch das Zutun hochrangiger U.N.-Funktionäre bei der Annexion West-Papuas belegen.

Ein ungleicher Kampf

Es ist offensichtlich: Die Karten in diesem Spiel sind nicht gerecht verteilt. Die Papua kämpfen gegen eine Übermacht, ausgerüstet mit moderner Waffentechnologie, Propaganda-Werkzeugen und internationalen Interessenverbänden im Rücken. Was den Ureinwohnern bleibt, ist die Aufklärung der Weltöffentlichkeit über die Zustände in ihrer Region. Eine Bewegung, die wiederum verschärftes Vorgehen der indonesischen Regierung nach sich zieht. Selbst in unserer Zeit der sozialen Vernetzung scheint dieser Kampf auch nach 50 Jahren noch lange kein Ende gefunden zu haben.