VON BENEDIKT GRADL | 25.04.2012 10:10

Wenn in China ein Rad umfällt…

Wenn in China ein Rad umfällt, interessiert das den Deutschen nicht die Bohne. Einzige Ausnahme: Ines Brunn. Sie ist die erste deutsche Fahrradverkäuferin in Peking – und das mit Erfolg.

Wenn man sich den Lebenslauf der heute 35jährigen anschaut, erwartet man unter dem Punkt „derzeitige Arbeitsstelle“ fast alles. Dass dort aber „Fahrradhändlerin“ steht, überrascht. Die Frau aus dem fränkischen Herzogenaurach war zuerst Kunstturnerin, stieg dann aufs Fahrrad um und machte ihre Handstände und Pirouetten auf dem Lenker. Quasi nebenbei studierte sie an der Universität Erlangen Atomphysik und forschte am Teilchenbeschleuniger DESY in Hamburg.

Durch ihre Tätigkeit bei einer deutschen Firma für Spezialelektronik reiste sie oft ins asiatische Ausland und zog schon bald nach Peking, um auf dem vielversprechenden asiatischen Markt besser agieren zu können. Doch China ist was die Zweiräder angeht im internationalen Vergleich wohl im Spitzenfeld unterwegs: 470 Millionen Räder gibt es im Land der aufgehenden Sonne, davon über 10 Millionen in der Hauptstadt Peking. Was Ines Brunn allerdings veranlasst hat ihren hochbezahlten Job hinzuschmeißen und ein Fahrradgeschäft in einem gesättigten Markt aufzumachen, erklärt sie so:
Es habe sie die Idee gepackt, dass die Fixies, also Starr-Nabenfahrräder, auf denen Kuriere in New York oder London sowie Bahnradfahrer strampeln, mehr Popularität im Land der Radler verdienen.

Miguel Caballero

Eve Arnold

Wer sich unter den gerühmten Gefährten nichts vorstellen kann, dem sei schnell das Prinzip erklärt: Fixies haben weder Gangschaltung noch Leerlauf. Jeder tritt ins Pedal wird direkt auf die Räder umgesetzt. Das macht sogar das rückwärtsfahren möglich. Die gebürtige Erlangenerin schwärmt, es sei ein ganz eigenes, besonderes Fahrgefühl. Auch für ihre Kunststücke, die sie nach wie vor in aller Welt präsentiert, benutzt sie die fixed-gear Bikes.

Seit über drei Jahren betreibt Ines Brunn jetzt schon ihren Laden „Natooke“ in der chinesischen Hauptstadt – und das mit Erfolg. Über 600 Stück hat sie bereits verkauft – und keines gleicht dem anderen. Das ist eine weitere Besonderheit der die Geschäftsidee der deutschen Blondine zu einer echten Alternative macht. Die Räder funktionieren nach einem Baukastenprinzip. Der Kunde muss sich bei jedem Teil eigens entscheiden, dafür erhält er am Ende sein persönliches Fahrrad. Die billigste Kombination kostet 480€, nicht gerade ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass das in China ungefähr dem Monatsgehalt einer jungen Sekretärin entspricht. Aber wer hat denn gesagt, dass die Kombination aus Individualismus und Umweltbewusstsein billig sein muss.