VON MAXIMILIAN REICHLIN | 08.05.2013 16:11

Die Kraft aus dem Inneren – Wie Resilienz funktioniert und wie man sie erlernen kann

Resilient nennen Psychologen diejenigen Menschen, die in der Lage sind, mit traumatischen Erlebnissen ebenso wie mit einem stressigen und deprimierenden Alltag umzugehen, und trotz aller Widrigkeiten nicht die Lust am Leben zu verlieren. Die Resilienzforschung will nun herausgefunden haben, woher manche Menschen diese innere Stärke beziehen – und wie sie erlernbar gemacht werden kann.

Die Fallbeispiele in der Psychologie sind vielfältig. Lisa, die trotz ihrer apathischen und depressiven Mutter ein Medizinstudium beginnt. Amy, die ein funktionierendes und warmherziges Familienumfeld aufbauen kann, obwohl sie selbst von verarmten Alkoholikern groß gezogen wurde. Diese Menschen sind resilient, verfügen also über die innere Stärke, Traumata und schlechte Erfahrungen positiv zu verarbeiten und ihr zunächst aussichtslos anmutendes Leben in neue Bahnen zu lenken.

Sich selbst zu vertrauen...

Mit Zufall oder einer besonderen spirituellen Veranlagung hat das nichts zu tun. Eine Studie des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim belegt bestimmte Schutzfaktoren, die für die Resilienz besonders förderlich sind, etwa frühe Sprach- und Lesefähigkeiten, gutes Aussehen und ein anziehendes Lächeln. Durch solche „Puffer“ erfahren Kinder – auch solche, die mit Alkoholismus, Armut und Gewalt konfrontiert sind – positive Resonanz von ihrer Umwelt. Die erfahrene Bestätigung fördert das Selbstvertrauen und damit auch wiederum die Schutzfaktoren. Ein umgekehrter Teufelskreis wird in Gang gesetzt: Von unten nach oben.

Dabei sind allerdings alle noch so gut ausgeprägten Schutzfaktoren nutzlos, wenn die Bestätigung durch die Umwelt ausbleibt. Ganz entscheidend für die Resilienz sind demnach zwischenmenschliche Beziehungen. Frühe Lesefertigkeiten etwa üben sich besonders dann gut auf die Resilienz aus, wenn sie durch Vorlesen, etwa von Seiten der Eltern, gefördert werden. Auch die Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten und die Mitgliedschaft in Vereinen wirkt sich meist positiv auf die Resilienz aus: Hier können Kontakte geknüpft und Anregungen für die weitere Lebensführung gewonnen werden.

In einer bereits in den siebziger Jahren durchgeführten Studie US-amerikanischer Psychologen, zu der auch der obige Fall des Mädchens Lisa gehört, entdeckten Forscher eine ausschlaggebende Gemeinsamkeit aller resilienten Kinder: eine stabile Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson, sei es nun ein Elternteil, ein Lehrer oder Mentor oder einem guten Freund. Kinder, die eine solche Bezugsperson an ihrer Seite hatten, zeigten sich gegenüber der übrigen Widrigkeiten ihres weiteren Lebens um einiges positiver als andere, selbst als diejenigen, die ansonsten über die nötigen Schutzfaktoren verfügten. Dieses Prinzip lässt sich auch auf Teenager und Erwachsene anwenden: hier ist besonders ein stabiler Freundeskreis resilienzfördernd.

Mittlerweile ist Resilienz auch wirtschaftlich ein wichtiges Thema. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen durch alltäglichen Stress geschädigt werden, ist wieder die Resilienzforschung gefragt. Beinahe 5000 Fälle des Burn-Out-Syndroms gab es im Jahr 2010 deutschlandweit, weitere Krankschreibungen aufgrund anderer psychischer Erkrankungen kamen hinzu. Um Depressionen und Erkrankungen aufgrund von Stress am Arbeitsplatz vorzubeugen, werden mittlerweile Coaches und Vermittler für Unternehmen ausgebildet und Seminare für betriebliche Resilienzförderung veranstaltet – etwa vom ResilienzForum Berlin. Hier wird die innere Stärke erlernbar: durch positive Bestärkung und die Reflexion, bereits in der Vergangenheit Krisen bewältigt wurden und wie man daraus Kraft und Durchhaltevermögen ziehen kann.