VON LISI WASMER | 03.02.2014 17:17

325 Euro für eine bessere Welt – Das Fairphone

Ein Alltag ohne Smartphone ist inzwischen kaum noch denkbar: Beim Frühstück die Nachrichten online anhören, in der U-Bahn schnell ein paar Emails verschicken, das Fernsehprogramm in der App abrufen – Smartphones machen das Leben leichter. Unser Leben. Denn die unzähligen Rohstoffe für diese Alleskönner werden meist unter menschenunwürdigen Bedingungen gefördert, die Zustände bei den Herstellerfirmen sind größtenteils skandalös. Ein Startup-Unternehmen aus Amsterdam will zeigen, dass es auch anders geht. Anfang 2013 wurde „Fairphone“ gegründet, inzwischen ist die erste Produktionsreihe von 25.000 Smartphones auf dem Weg zu ihren Besitzern.

Günstiger Mensch, teure Maschinen

2010 geriet der Smartphonehersteller Foxconn, der unter anderem auch Apple’s iPhone fertigt, erstmals in die Schlagzeilen: In wenigen Monaten hatten sich zehn Mitarbeiter das Leben genommen. Der Grund: Die grausamen Arbeitsbedingungen. Erst im Mai 2013 berichtete die FAZ von einer neuen Suizidwelle. Drei Mitarbeiter stürzten sich in den Tod.

Während Apple und Co. damit beschäftigt sind, ihr gutes Image und somit ihre Verkaufszahlen aufrecht zu erhalten, möchte ein kleines Startup namens „Fairphone“ aus Amsterdam neue Wege in der Smartphone-Produktion gehen. Es geht darum, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, sowohl bei der Fertigung als auch bei der Rohstoffbeschaffung. Es geht um Naturschutz und um Nachhaltigkeit. Die Idee wuchs über zwei Jahre heran, bevor Anfang 2013 ein Crowdfunding-Projekt eröffnet wurde. 5.000 Bestellungen strebte Gründer Bas van Abel an. Schon Mitte des Jahres waren mehr als eineinhalb mal so viele Anfragen eingegangen. Der tatsächliche Produktionsumfang der ersten Serie betrug 25.000 Fairphones.

Wie fair kann ein Smartphone sein?

Schon von Anfang an war klar: Auch das Fairphone wird nicht vollständig auf Rohstoffe aus fragwürdigen Quellen verzichten können. Bei vielen benötigten Metallen fehlten einfach die Kooperationspartner. Zwei dieser Metalle, Tanal und Zinn, werden allerdings in vom Verein „Solutions for Hope“ zertifizierten Minen abgebaut. Somit ist sichergestellt, dass der Rohstoffabbau keinen Warlords in die Hände spielt und der Erwerb so indirekt Kriege finanziert. Für die Fertigung der Fairphones wird mit einem chinesischen Hersteller gearbeitet, der einen „akzeptablen“ Lohn zahlt und eine Höchstarbeitszeit von sechzig Wochenstunden berücksichtigt. Einzelne Teile des Smartphones wie etwa der Akku oder das Display sind austauschbar, das erleichtert das Recycling ebenso wie die Reparatur im Bedarfsfall. Die Verpackung ist aus recyceltem Papier, von den 325 Euro Kaufpreis gehen gut acht Prozent an Stiftungen und Initiativen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Rohstoffförderung und Herstellung.

Nachholbedarf besteht wie erwähnt bei den vielen weiteren Materialien (vor allem Metallen), die für ein Smartphone benötigt werden. Die „akzeptable“ Bezahlung der chinesischen Herstellerfirma beläuft sich laut „Handelsblatt“ auf monatlich 169 US-Dollar, was deutlich weniger sei als etwa im Fall Apple. Für den Vertrieb arbeitet Fairphone mit Vodafone zusammen. Große Schritte in Richtung Fairness und Nachhaltigkeit sind bei diesem Unternehmen derzeit nicht erkennbar.

25.000 gute Anfänge

Trotz dieser Mankos und trotz immer wieder auftretender Pannen wie einer stark verspäteten Auslieferung der Geräte an ihre Endbenutzer ist die erste Serie von 25.000 Fairphones lange ausverkauft. Momentan werden Bestellungen für eine weitere Produktion aufgenommen. Über 26.500 Menschen haben sich bereits vormerken lassen.

An der innovativen Technik des Smartphones dürfte das nicht liegen. Große Benchmarking-Tests kommen zu einem mittelmäßigen Urteil: Es handle sich um ein solides, aber nicht überdurchschnittliches Mittelklasse-Smartphone mit im Grunde zu hohem Preis, fasst die „Zeit“ etwa eine ausführliche Rezension von golem.de zusammen. Vor allem die Kamera ließe zu wünschen übrig, Akku-Laufzeit, Darstellung, Bedienung bewegten sich im Mittelfeld.

Warum also geben so viele Leute 325 Euro für ein mittelgradiges Smartphone aus? Weil die Idee zählt, die dahinter steckt, sind sich die Pressestimmen wie „Zeit“, „Handelsblatt“, „TAZ“ oder auch „Computerbild“ einig. Eine weitere Vermutung: Es ist trendy. Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit, Fairtrade – seit der Jutebeutel von der Ökoeinkaufstasche zum modischen Accessoir aufgestiegen ist, sind diese Werte wieder en vogue. „Grüne Kollektionen“ stehen großen Modeketten wie H&M ebenso gut zu Gesicht wie recyceltes Klopapier und Bio-Lebensmittel dem kleinen Mann. Man muss nicht die Grünen wählen, um sich für eine bessere und gesündere Welt „einzusetzen“. Man muss noch nicht einmal auf sein Smartphone verzichten. Das klingt vielleicht zynisch. Aber 25.000 verkaufte Fairphones sind 25.000 gute Anfänge. Sind 25.000 gute Vorbilder für die Industrie genauso wie für Konsumenten – hoffentlich ein langlebiger Trend.