VON SINEM S. | 05.09.2012 10:17

Du bist, was du isst?

Mehr denn je ist Essen ein Mittel sozialer Distinktion, ein Statement des Lebensstils oder gar der politischen und ethischen Gesinnung.

Der Einkauf gleicht einer Stimmabgabe bei der Wahl und ist vielleicht sogar direkter als jede andere demokratische Abstimmung, da das Kaufverhalten unmittelbar Einfluss auf die Wirtschaft nehmen kann. Besonders deutlich wird dies am Bio- und Fairtrade-Trend. Der Konsument drückt mit dem Kauf beispielsweise eines Biokaffees, der zugleich fair gehandelt wurde, neben seiner Kaffeeleidenschaft auch noch ökologisches und ethisches Bewusstsein aus. Die Reflexion der Herkunft des Produktes, seine soziale Verstrickung und die Entstehungsbedingungen widerstreben dabei der Entfremdung und Entwertung des Produktes zugunsten eines geringen Preises.

Regional Einkaufen

Noch nie war das Angebot vielfältiger. Viele Wohngegenden bieten Einkaufsmöglichkeiten vom Discount-Supermarkt und Bäcker zum Bioladen und das alles in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Außerdem haben eigentlich alle Discounter mittlerweile eine ganze Palette von Bioprodukten. Durch diese Pluralisierung des Essens sind die unterschiedlichsten Identitätsentwürfe möglich. Bestimmte Produkte kauft man vielleicht nur im Bioladen, andere dafür im Discounter, je nachdem was das Portemonnaie hergibt.

Die Frage ist allerdings, ob die Wahl der Produkte tatsächlich einem bestimmten Identitätsentwurf entspricht. Ist ein Biokäufer automatisch ein besserer Mensch, weil er versucht, die Rahmenbedingungen der Produktion durch sein Konsumverhalten eventuell zu ändern? Oder entspricht es einfach nur einem Lifestyle bzw. Modetrend, bio zu kaufen? Forscher aus Toronto stellten zum Beispiel in einem Experiment fest, dass die Probanden sich, nachdem sie online Bioprodukte gekauft hatten, in Fairnessspielen weit egoistischer und unmoralischer verhielten als andere Teilnehmer. Heißt das, man ruht sich vielleicht auf dem Biosiegel aus und denkt, man hätte seinen Teil zu einer besseren Welt bereits beigetragen? Ist jemand, der gerne Fastfood ist, auch sonst eher nachlässig? Zumindest fanden hier der Universitäten Navarra, Granada und Las Palmas heraus, dass der Konsum von Fast Food, das Risiko an einer Depression zu erkranken, um 50% erhöht.

Essen ist nicht nur etwas für den Leib, sondern auch für die Seele, würde darum manch einer sagen. Dieser Tradition entspricht zum Beispiel ayurvedisches Essen, dessen Ursprung in Indien liegt. Dabei geht man bei dieser Heilkunst davon aus, dass bestimmte Wesenstypen manche Nahrungsmittel nicht essen sollten und andere wiederum verstärkt, da diese sogar Krankheiten und Beschwerden lindern können. Wenn man weiss, welchem Typus man angehört, kann man durch die Nahrung, die man zu sich nimmt, seinen Körper und Geist stärken. Laut ayurvedischer Überlieferung sind Sattva zum Beispiel Lebensmittel, die helfen sollen, die Lebensdauer zu verlängern und zu mehr Zufriedenheit zu gelangen, wohingegen Rajo-Nahrungsmittel die Psyche negativ beeinflussen können und den Körper überhitzen. In der Yogapraxis wird empfohlen, spätestens im 2. Lehrjahr gänzlich mit Fleisch, Alkohol- und Tabakkonsum aufzuhören, um die körperliche und geistige Weiterentwicklung nicht zu gefährden, und Harmonie von Körper und Seele zu erreichen. Wichtig ist auch die Form der Nahrungsaufnahme: Wer sich keine Zeit lässt und das Essen nur als Mittel zur Sättigung empfindet, versagt sich eventuell die Gelegenheit, nicht nur seinem Körper, sondern auch seinem Geist etwas Gutes zu tun, indem man sich Zeit lässt und genießt.