VON MAXIMILIAN REICHLIN
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12.08.2016 16:09
Azubi werden – Warum viele das nicht mehr wollen und was man daran ändern könnte
Ausbildungen sind in Deutschland bei jungen Menschen nicht mehr gefragt, der Trend geht eher hin zum Studium. Fachleute erklären sich diesen Umstand vor allem durch die fehlende Orientierung der Auszubildenden während der Schulzeit und fordern höhere Transparenz. Denn im Schnitt seien so gut wie alle Azubis mit Ihrer Ausbildung zufrieden und hätten nach wie vor gute Berufsaussichten. Bestimmte handwerkliche Branchen müsse man allerdings deutlich attraktiver gestalten, um wieder Auszubildende anzulocken. UNI.DE über die Hintergründe.
Berufsausbildungen verlieren in Deutschland seit Jahren nahezu ungebremst an Relevanz. Das zeigt der im April veröffentlichte Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. So blieben im Jahr 2015 rund 41.000 ausgeschriebene Stellen unbesetzt – der höchste Stand seit 20 Jahren. Zudem bietet nur noch jeder fünfte Betrieb überhaupt Ausbildungsplätze an. Demgegenüber steht ein Plus von rund 150.000 Studienanfängern im Vergleich zur vergangenen Dekade. Der Trend geht also weg von der Ausbildung, hin zum Studium.
Azubis sind zufrieden – aber desillusioniert
Dabei zeigt der azubi.report für das Jahr 2016, dass so gut wie alle jungen Auszubildenden mit Ihrer Wahl glücklich sind. Mehr als 90 Prozent der befragten Azubis gaben an, grundsätzlich mit ihrem jeweiligen Betrieb und der Ausbildung zufrieden zu sein. Viele sagen sogar, in ihrer Ausbildung ihren Traumberuf gefunden zu haben. Gleichzeitig beklagt ein großer Teil der Befragten aber, sich den Ausbildungsberuf anders vorgestellt zu haben und kritisiert die fehlende Vorbereitung auf den Berufsalltag während der Schule.
Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Auszubildenden und der Realität entwickelt sich zu einem massiven Problem für die deutsche Ausbildungslandschaft. So gut wie alle Azubis, die finden, dass der Berufsalltag nicht mit der Ausschreibung des Unternehmens übereinstimmt, wechselt nach der Ausbildung den Beruf. 40 Prozent, die ihre Ausbildung schon vorher abbrechen, tun dies, weil sie andere Vorstellung vom Beruf hatten.
Aufstiegs-BAföG
Das neue Meister-BAföG, nun Aufstiegs-BAföG genannt, ist ab dem 1. August 2016 in Kraft getreten und verspricht höhere Fördersätze, höhere Zuschussanteile und einen höheren Freibetrag
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Gründe für den Ausbildungsmangel: Schlechte Vergütung und mangelnde Orientierung
„Der Trend zum Studium wird für die Fachkräftesicherung der Betriebe zunehmend zum Problem“,
konstatiert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Das betreffe vor allem bestimmte Branchen. Wenig gefragt seien beispielsweise handwerkliche Berufe wie Klempner, Metzger oder Bäcker – wohl auch aufgrund der relativ schlechten Vergütung: Im Schnitt erhalten Azubis im Handwerk
rund 370 Euro pro Monat. Das sind fast 300 Euro weniger, als der Durchschnitt, der sich auf rund 650 Euro pro Monat beläuft. Das reicht oft nicht aus: Mehr als 60 Prozent der Azubis sind auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Mit rund 770 Euro die höchste Vergütung erhalten aktuell Auszubildende in der Tierpflege. Hier finden sich laut azubi.report auch die zufriedensten Azubis.
Die Studie selbst erklärt sich die hohe Zufriedenheit in Berufen wie der Tierpflege oder der Medienbranche vor allem dadurch, dass hier die Spanne zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung weniger breit sei, und die Auszubildenden persönliche Interessen besser umsetzen könnten, als beispielsweise in der Gastronomie. Mehr als die Hälfte der befragten Berufsschullehrerinnen und -lehrer wünscht sich aus diesem Grunde eine höhere Transparenz bereits an der Schule, um Jugendliche ideal auf die Ausbildung vorzubereiten – zum Beispiel mit mehreren Schnupperpraktika.
Es gibt nicht zu wenige freie Stellen – Viele Azubis landen sogar in der „Warteschleife“
Gleichzeitig sollen Betriebe und Politik etwas unternehmen. Gerd Bosbach, Professor für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung an der Hochschule Koblenz, fordert etwa dazu auf, die Bezahlung der Azubis im Beruf zu verbessern und die Ausbildung selbst offener zu gestalten, um den Auszubildenden bessere Berufsaussichten zu eröffnen.
Er bestreitet auch, dass es einen Mangel an Ausbildungsplätzen gibt. Von diesem könne man nur sprechen, wenn es weniger freie Stellen als Bewerber gäbe, was allerdings nicht der Fall sei. Tatsächlich gingen im vergangenen Jahr laut Berufsbildungsbericht rund 20.000 Bewerberinnen und Bewerber leer aus. Diese müsse man abholen, um zu verhindern, dass sie in der „Warteschleife“ landen, oder die Suche nach einer Stelle aus Frustration aufgeben.
BDA bescheinigt: Berufsaussichten sind nach wie vor „sehr gut“
Die Suche nach einer passenden Ausbildung gestaltet sich oft schwierig. So weiß der azubi.report etwa, dass der durchschnittliche Azubi im Schnitt 18 Bewerbungen schreiben muss, bevor er eine passende Stelle findet. Der Aufwand lohnt sich aber, so die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeiterverbände (BDA): Vor allem eine Duale Berufsausbildung bringe den jungen Menschen noch immer „sehr gute Chancen“ auf dem Arbeitsmarkt: Durchschnittlich würden 7 von 10 Azubis nach abgeschlossener Ausbildung von ihren Betrieben übernommen. Aber auch die BDA fordert eine umfassende Berufsorientierung bereits während der Schulzeit, um wieder mehr Interessentinnen und Interessenten zu gewinnen.