Der Kontrollwahn im Internet zieht auch immer mehr in freien und demokratischen Ländern seine Kreise. Oft werden neue Gesetze entworfen und verabschiedet, ohne genauere Prüfung, was überhaupt Sinn macht und was nicht. Das neue Jugendschutzgesetz, das am 01.01.2011 in Kraft tritt, macht hier keine Ausnahme. Zu diesem Zeitpunkt müssen Internet-Seiten jeglicher Art mit einer Alterseinstufung versehen sein. Die Altersverifikation soll durch Personalausweis oder durch Postident erfolgen und umfasst vier Stufen:
1. ab 6 Jahre
2. ab 12 Jahre
3. ab 16 Jahre
4. ab 18 Jahre
Teilweise müssen auch feste Öffnungs- oder Sendezeiten der Seite angeben werden, die die Verfügbarkeit von Inhalten zu bestimmten Zeiten festlegen. Zudem muss ein Jugendschutzbeauftragter auf der Seite genannt sein, der verantwortlich für Inhalte ist und gegen Verstöße haftbar gemacht werden kann. Das betrifft Artikel sowie Leserkommentare in Blogs oder Foren.
Während großen Firmen mit entsprechender Infrastruktur durch das Gesetz eher weitere Vorteile geboten werden, um gezielt ihre Angebote zu verbreiten und Daten zu sammeln, werden viele Foren- und Blogbetreiber sind gezwungen sein, ihren Service einzustellen. Vor allem kleinere Firmen, Blogs und Foren-Betreiber, die durch Interaktivität von User generiertem Content leben, drohen am Mehraufwand und Neuauflagen zu scheitern. Erheblich erschwert wird die Situation für Anbieter nicht-jugendgefährdender Inhalte aller Art. Also alle Seiten, die unter 18 Jahren zugänglich sind. Diese veröffentlichen im Internet oft nicht-kommerzielle Inhalte, welche nun altersbedingt eingestuft und kontrolliert werden.
Viele Blog- und Foren-Betreiber zittern vor dem §5 Abs.3. Hier heißt es:
"Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter die Einbeziehung oder den Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen, die das Alter der gekennzeichneten Altersstufe noch nicht erreicht haben, zu beeinträchtigen. Der Nachweis, dass ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, gilt als erbracht, wenn sich der Anbieter dem Verhaltenskodex einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwirft."
Allein um diesen Absatz zu verstehen, braucht es schon einen Dolmetscher. In §§7 des TMG stehen alle Provider drin. Eine Kennzeichnungsverpflichtung für Access Provider wäre nicht nur technisch ein riesiger Aufwand, sondern auch gegen das TMG und die EC-Richtlinie. Und wer soll das alles kontrollieren? Leider gibt es immer auch genügend Anwälte, die sich auf Gesetze wie dieses freuen, um zahlreiche Websites-Betreiber mit Abmahnungen zu überhäufen.
Deutschland greift mit diesem neuen Jugendschutzgesetz in die Internetfreiheit der Bürger und Websites-Betreiber ein, ebnet der Industrie neue Wege und macht unabhängigen informativen Betreibern das Leben schwer.