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VON PROF. DR. ANKE GROTLÜSCHEN  |  07.09.2011 14:26

Stu­die: 14 Pro­zent von funk­tio­na­lem An­al­pha­be­tis­mus be­trof­fen

Die Er­geb­nis­se des For­schungs­pro­jekts „leo. – Le­vel-​One Stu­die“ unter Lei­tung der Er­zie­hungs­wis­sen­schaft­le­rin Pro­fes­so­rin Anke Grot­lü­schen an der Uni­ver­si­tät Ham­burg haben bun­des­weit Auf­merk­sam­keit er­regt. Dem­nach kön­nen gut 14 Pro­zent der Er­werbs­tä­ti­gen (18 bis 64 Jahre) in Deutsch­land nur ein­zel­ne Sätze lesen und schrei­ben. Selbst kurze Texte ver­ste­hen sie nicht.

Die Stu­die wurde im Auf­trag des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung er­stellt. Aus­gangs­punkt war die Frage, wie gut die er­wach­se­ne deutsch spre­chen­de Be­völ­ke­rung tat­säch­lich liest und schreibt.

Fast dop­pelt so viele Be­trof­fe­ne wie ge­schätzt

Mehr als vier­zehn Pro­zent der er­werbs­fä­hi­gen Be­völ­ke­rung sind so­ge­nann­te funk­tio­na­le An­al­pha­be­ten und An­al­pha­be­tin­nen – das ent­spricht 7,5 Mil­lio­nen Deut­schen. Die Er­geb­nis­se lie­gen weit über dem Schätz­wert von etwa vier Mil­lio­nen. Die Per­so­nen kön­nen ein­zel­ne Sätze lesen oder schrei­ben. Kurze Texte be­wäl­ti­gen sie aber nicht, was ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf ihre Teil­ha­be am so­zia­len Leben hat. Mit einem An­teil von rund 60 Pro­zent sind deut­lich mehr Män­ner als Frau­en be­trof­fen. Für die For­schen­den be­son­ders über­ra­schend: Mehr als ein Zehn­tel der funk­tio­na­len An­al­pha­be­ten und An­al­pha­be­tin­nen ver­fügt über hö­he­re Bil­dung, wie z. B. ein Stu­di­um.

Erst­mals be­last­ba­re Zah­len

Unter der wis­sen­schaft­li­chen Lei­tung von Pro­fes­so­rin Anke Grot­lü­schen am Fach­be­reich Er­zie­hungs­wis­sen­schaft 3, Be­ruf­li­che Bil­dung und Le­bens­lan­ges Ler­nen, wur­den auch Zah­len zu An­al­pha­be­tis­mus im en­ge­ren Sinne er­ho­ben. Der Stu­die zu­fol­ge be­trifft das mehr als vier Pro­zent der er­werbs­fä­hi­gen Be­völ­ke­rung. Be­trof­fe­ne lesen und schrei­ben ein­zel­ne Wör­ter, nicht je­doch ganze Sätze. Pro­fes­so­rin Grot­lü­schen zur Stu­die: „Deutsch­land be­darf seit lan­gem einer ver­bes­ser­ten For­schungs­da­ten­la­ge über das un­ters­te Kom­pe­tenz­ni­veau des Le­sens und Schrei­bens. Wir haben mit die­sem Pro­jekt zum ers­ten Mal be­last­ba­re Zah­len über den An­al­pha­be­tis­mus in Deutsch­land vor­ge­legt."

Kann man Lesen ver­ler­nen?

Wei­te­re 25 Pro­zent der er­werbs­fä­hi­gen Be­völ­ke­rung, mehr als 13 Mil­lio­nen Deut­sche, lesen und schrei­ben Texte nur lang­sam und feh­ler­haft. Ty­pisch für Be­trof­fe­ne ist, dass sie das Lesen und Schrei­ben aus die­sem Grund ver­mei­den. Die­ses Phä­no­men wirft die Frage auf, ob Li­te­ra­li­tät, also Lese- und Schreib­kom­pe­tenz, auch wie­der ver­lernt wer­den kann. Die Bun­des­mi­nis­te­rin für Bil­dung und For­schung, Prof. Dr. An­net­te Scha­van, sagte zur Prä­sen­ta­ti­on des For­schungs­be­richts in Ber­lin am 28. Fe­bru­ar: „Wir müs­sen uns stär­ker als bis­her auf die Frage kon­zen­trie­ren: Wie ver­hin­dern wir, dass Tech­ni­ken und Kennt­nis­se, die be­reits er­wor­ben wur­den, wie­der ver­lo­ren gehen?" Sie ver­sprach För­der­mit­tel für Pro­gram­me, wel­che die Sen­si­bi­li­tät für Lese- und Schreib­schwie­rig­kei­ten nicht nur wie bis­her in Schu­len, son­dern auch am Ar­beits­platz schär­fen.

Ver­bund mit HU Ber­lin und TNS-​In­fra­test

Für die re­prä­sen­ta­ti­ve Stu­die, an der auch die Hum­boldt-​Uni­ver­si­tät Ber­lin und TNS-​In­fra­test So­zi­al­for­schung be­tei­ligt waren, wur­den mehr als 8.000 Per­so­nen im Alter zwi­schen 18 und 64 Jah­ren be­fragt. Durch­ge­führt wurde sie 2010 als Er­gän­zung zur EU-​Sta­tis­tik über Er­wach­se­nen­bil­dung (Adult Edu­ca­ti­on Sur­vey, kurz: AES).